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08. August 2025, 09.33 Uhr

Wie kein anderer Ort repräsentiert Washington an der Ostküste der USA die Werte der amerikanischen Demokratie. Doch die 30.000, die hier im Sommer 1925 in ihren weißen Roben marschieren, Männer und Frauen, bringen rassistisches Gedankengut mit in die Hauptstadt. Sie vertreten den Ku-Klux-Klan, eine der ältesten terroristischen Vereinigungen Amerikas.

1865, kurz nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges, gründeten Südstaatenveteranen in der Kleinstadt Pulaski in Tennessee den Geheimbund. Der Ku-Klux-Klan startet als vermeintlich geselliger Trinkverein. Die Anhänger dieser Bruderschaft glauben an eine Vorherrschaft der Weißen, die seit Tausenden von Jahren bestehe. Sie predigen, der Geist gefallener Südstaaten-Soldaten werde Schwarze heimsuchen, und schüren Hass gegen die befreiten Schwarzen. Um ihre Identität zu verschleiern, kleiden sie sich in Roben, Masken und spitze Hüte und organisieren sich in einer Ordenshierarchie. Ihre Anführer nennen sich 'Drachenfürsten' oder 'Hexenmeister'. Lynchmorde, Auspeitschungen und das Zurschaustellen der Leichen ihrer Opfer sind ihre gängigen Schreckenspraktiken. Nach dem Bürgerkrieg verbreiten sich die Werte des selbsternannten 'unsichtbare Reiches' in den Südstaaten rasch.

Über Jahre hinweg terrorisiert die paramilitärische Gruppe Schwarze, schüchtert sie ein und versucht mit Gewalt, sie ihrer neu erlangten Bürgerrechte wieder zu berauben. Schließlich greift die US-Regierung unter dem damaligen Präsidenten Ulysses S. Grant ein. Ein Gesetz soll die Gewaltexzesse drosseln. 1870 löst Nathan Bedford Forrest, der damalige Anführer der Gruppe, den KKK offiziell auf. Doch obwohl der Klan Ende des 19. Jahrhunderts an Einfluss verliert, bleiben einige Ortsgruppen bestehen.

Im Februar 1915 feiert der Stummfilm 'Birth of a Nation' des US-Regisseurs David Wark Griffith Premiere. Er ist eine Adaption des Stückes "The Clansman: A Historical Romance of the Ku-Klux-Klan" (1905) von Thomas Dixon Jr. Der Historienfilm über den US-Bürgerkrieg romantisiert den KKK: Klans-Männer erscheinen darin als Kämpfer auf weißen Pferden, die die vermeintlich beschädigte Ehre einer weißen Frau rächen und Ordnung bringen. In Amerika sehen damals mehrere Millionen Menschen 'Birth of a Nation'. Auch Präsident Woodrow Wilson soll nach einer Vorführung des Filmepos im Weißen Haus begeistert gewesen sein. Die Popularität des Stummfilmes trägt dazu bei, den Klan wiederzubeleben. 

Im November 1915 organisiert William Joseph Simmons eine Klan-Zeremonie auf dem Stone Mountain in der Nähe der Stadt Atlanta. Er erklärt sich zum neuen Oberhaupt des auferstandenen Bundes. Die neue Generation der Klans-Männer wendet ihre Gewalt nicht allein gegen Schwarze. Sie hetzt auch gegen Juden und Katholiken.  

Diese zweite Welle findet Anhänger nicht nur im Süden der USA. Vor allem im Mittleren Westen gründen sich neue Ortsgruppen. Klan-Mitglieder müssen in den USA geboren, weiß und protestantischen Glaubens sein. Zur Rekrutierung organisieren die Anhänger Vorführungen von 'Birth of a Nation' in ländlichen Regionen. Sie veranstalten Rodeos, Ritterspiele, Volksfeste, Picknicks und Paraden. Simmons versteht sich auf Marketing. Es ist der Versuch, aus dem Geheimbund eine in weiten Teilen der US-Gesellschaft anerkannte Massenbewegung zu formen.

Mancherorts entstehen sogar KKK-Handarbeitsclubs für Frauen und Baseball-Vereine für die Kinder. Die Anhänger geben ihren Unternehmen Namen wie 'Kwik Kar Wash', 'Kars, Kars, Kars' und 'Kountry Kitchen'. Die Vereinigung betreibt Radiosender und Zeitungen wie 'The Fiery Cross', und 'The Searchlight'. Doch der KKK ist damals nicht 'der harmlose Verein', für den er sich öffentlich ausgeben möchte, sagt die amerikanische Soziologin Kathleen M. Blee im National Public Radio. Neben den Festen und Dorfspektakeln gehen die Gewaltexzesse, Morde, Lynchungen und Hassverbrechen weiter. Dass 'der Klan als ein ganz normaler Verein angesehen' wird, sagt Blee, liege daran, dass viele Menschen damals die Rassentrennung befürworten. 

So entwickelt sich der Ku-Klux-Klan zu einer der größten gesellschaftlichen Bewegungen in den USA der 1920er-Jahre. Mit vermutlich zwei bis fünf Millionen Mitgliedern, davon mindestens 500.000 Frauen. Auch Harry S. Truman, der spätere US-Präsident, soll 1922 für einige Monate Klan-Mitglied gewesen sein. Die Vereinigung gewinnt beträchtlichen Einfluss auf die Politik. Mehr oder weniger offen verhilft das 'unsichtbare Reich' mindestens elf Gouverneuren, 75 Abgeordneten und 16 Senatoren zu ihren Ämtern. Besonders die Demokraten sind von Klan-Seilschaften durchdrungen. In der Blütezeit der Organisation, zurzeit ihrer großen Parade in Washington, verüben die Klans-Männer unmaskiert und ungestraft Lynchmorde und andere Terrorakte.

Am Samstag, dem 8. August 1925, marschieren 30.000 Klan-Mitglieder durch die Hauptstadt. Nie zuvor war das 'unsichtbare Reich' sichtbarer: Tausende versammeln vor dem US-Kapitol. Viele tragen spitze Hüte und weiße Gewänder, teils mit Wappen und Emblemen, die Ortsgruppen oder Ränge kennzeichnen. Einige Gruppen reiten zu Pferd. Männer, Frauen und Kinder spazieren die Pennsylvania Avenue entlang, auch als Straße der Demokratie bekannt. Begleitet von einer Kapelle singen sie patriotische Hymnen. Im Gleichschritt laufend, schwenken sie riesige Flaggen. Menschentrauben beobachten das Spektakel von der Seite, Reporter berichten.

Es ist eine Machtdemonstration. Die Parade soll den Ku-Klux-Klan national legitimieren. Gleichzeitig sendet der Umzug eine Warnung an alle, die nicht weiß und protestantisch sind: Schwarze, Juden, Katholiken, Kommunisten und Immigranten. Nach vier Stunden Marsch erreicht die Kolonne das Washington Monument. Dort sollen Reden gehalten werden, doch ein Regenschauer beendet den Aufmarsch. Er verlief über die Pennsylvania Avenue vom US-Kapitol zum Washington Monument und war vermutlich die größte öffentliche Versammlung des Ku-Klux-Klans. 

Ende der 1920er-Jahre verliert der Klan die breite Basis in der US-Gesellschaft. Doch in den 1950er-Jahren erstarkt er wieder. Die nunmehr dritte Generation des KKK verübt verdeckte Gewaltaktionen gegen die Bürgerrechtsbewegung. Im Untergrund existieren bis heute lokale Untergruppen, etwa die 'Old Glory Knights' in Tennessee oder 'Loyal White Knights' in North Carolina und Virginia. Das schätzt Soutern Poverty Law Center gegenwärtig gehören ungefähr 8000 Klans-Männer der Vereinigung an.

Und so warnen Organisationen wie das  Soutern Poverty Law Center vor einem möglichen Wiedererstarken des Klans: Angesichts der einwanderungs- und diversitätsfeindlichen Agenda der Regierung Trump könne die Terrororganisation zunehmend wieder in die Mitte der Gesellschaft vordringen.“

                                                                                                                   Rebecca Wegmann

                                                         

 

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