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Kapitel 3An einer profanen Wirtshaus-Schlägerei drohte alles zu scheitern, und gleich, ob es eine Falle oder ein für Rom glücklicher Zufall gewesen war: die Bullen wußten alles über uns. Sie griffen sich Judas, und Petrus wurde zur Feststellung der persönlichen Daten mitgenommen. Petrus: der Erste, der auf meine Erwägungen angesprungen war, daß sich etwas ändern mußte in Judäa und wir damit anfangen mußten. Immer hatte er zwischen einer radikalen Revolution und dem Aufbau eines funktionierenden Unternehmens geschwankt. So entschieden und nicht einmal schlecht er sich später auch auf die Öffentlichkeitsarbeit der Bewegung warf: im Grunde schwebte ihm wohl eine Fischerei-Genossenschaft vor, die aus dem Aal- und Karpfenfang die Mittel aufbrachte, um die römische Konkurrenz auszubooten, das ganze Land zu zivilisieren und ein Königreich glücklicher, satter Fischer zu errichten. Mit einer starken Fang- und Kriegsflotte... Ich stellte mir Petrus vor: selbst im Netz, von den Menschenfischern des römischen Geheimdienstes umstellt, und die Kerle brüllten ihn an: "Wir haben Zeugen, daß du zum harten Kern gehörst!" Auch allen möglichen Fischweibern stellten sie ihn gegenüber, die ihn als Sohn eines Bankrotteurs entlarvten und auch sonst alles mögliche zu wissen vorgaben. "Ich kenne keinen Jesus aus Nazareth", soll er gesagt, gewimmert und geschrien haben, obwohl sie ihn in allen Zeitungen als meinen Pressesprecher kannten und er darauf nicht wenig stolz war. Am Ende hatten sie ihn so klein, daß ihn das Krähen der Hähne erschreckte, und er kam heulend bei uns an. "Ich habe uns verleugnet", schluchzte Petrus. "Zwei, drei mal." Maria lachte. "Na, und? Ich würde meinen Vater für weniger als die Freiheit verleugnen, meinen Vater sogar mit besonderem Vergnügen!" Ich schüttelte kurz den Kopf und zeigte auf den Weinkrug. "Wenn es weiter nichts ist", sagte allerdings auch ich ihm. "Wer nimmt schon immer das Herz in den Mund?" "Zumindest nicht das eigene", sagte Maria, setzte sich neben Petrus und legte ihm den Arm um die Schulter. "Und was ist mit Judas?" "Trägt das Herz auf der Zunge... So heißt das, Meister", sagte Petrus. "Judas, ach... Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so zum Heulen wäre. Sie werfen ihm Erregung öffentlichen Ärgernisses vor, diese Weltmeister im Arschfick! Verführung Minderjähriger, worunter sie Thomas verstehen... Fahrlässige Körperverletzung, weil er dem Scheißbullen das Ohr abgebissen hat und so weiter und so fort." "Nichts politisches", fragte ich. Obwohl wir ihn auslachten, wo immer das ging, war Pilatus nicht dumm. Judäa kochte noch nicht genug, um jeden Aufstand gegen Rom zu feiern und weiter anzufeuern, und wenn die Verwaltung es schaffte, uns zu kriminalisieren, würde es wohl auch nie soweit kommen. "Hätte er nicht auch 'ne Hure schwängern können, dieser Meister der Konspiration?" Maria mühte sich, Petrus zu trösten und mich gar nicht erst zu Boden gehen zu lassen. Sie goß uns Wein nach und ging zum Herd, um Bohnen an die Reste des Lammbratens zu schneiden. "Ich mache uns Eintopf... Denn du bleibst doch zum Essen?" "Ich habe dich verleugnet, Meister", wiederholte Petrus. "Bloß gut", sagte Maria. "Das fehlte gerade noch, daß ihr ihn in so eine Sache reinzieht! Gestern der Sohn Gottes und König der Juden, heute der Boxtrainer der Schwulenszene, wie?" Mit Petrus war an diesem Tag nichts mehr anzufangen, und die anderen Kumpels waren untergetaucht. Ich kannte die Adressen zwar, aber ich hielt es nicht für klug, irgendwelche Spitzel hinzuführen. Nachdem wir gegessen hatten, wickelte ich Mose neu und ließ ihm seufzend Marias überlaufende Brüste. Dann nahm ich mir Rahel mit auf das Dach, wo der Schreibtisch stand. "Hoch, hoch böll ich", quäkte sie, bis ich sie auf die Knie nahm, aber im Verlauf des Nachmittags bekam ich diesen kleinen Artikel für das fertig: Nun haben sie einen von uns gegriffen, der die Römer nicht leiden kann und die Männer liebt, und dieselbe Presse, die euch Tag für Tag mit solchen und schlimmeren Geschichten füttert, um von Euch zu leben, wird es euch als Beginn der großen Reinigung feiern. Nicht nur, daß kein Wort darüber verlautbaren wird, an welchen Teilen der Menschen sich das Establishment seit Caesar am meisten vergnügte! Als gäbe es nicht einen Markt dafür, wohin immer die Römer ihre Marktwirtschaft tragen, als kauften sie unsere Kinder nicht als atmende Matratzen und als hätten nicht sie in das Zirkusprogramm eingeführt, Menschen zu zerstücken, wird Euch Judas Ischarioth vorgeführt werden. Jeder von Euch soll wünschen, daß diese Bedrohung Eurer Söhne aus Judäa ausgemerzt werde, und im Eifer der Aftermalerei soll untergehen, was er zwischen den Stunden zwischen den Beinen seines Freundes betrieb: die Knechtung Judäas durch Rom und durch Eure Knechtseligkeit auszumerzen! Und wie immer werden die Hohen Priester aus den Büchern Mose zitieren, daß das Volk jene, die solches tun, mit einem Regen von Steinen aus dem Leben zu schwemmen habe... Und ich gebe Euch und den Priestern zu: so steht es in den alten Büchern! Aber es steht darin, weil es alte Bücher sind. Trotzdem will sogar ich jedermann der Gesetze Mose erneut versichern. Jedermann mag mit den Ehebrechern, Schweinefressern und Sodomitern verfahren wie Mose forderte und vielleicht tat, - wenn er zuvor mit nur einem Fronvogt des römischen Pharao auf mosaische Art verfahren ist! Der Artikel erschien mit dem Zusatz, den auch das Tagesblatt immer öfter anfügte: Namentlich gezeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Er wurde bis nach Rom rezensiert, und nur Stunden nach dem Erscheinen tobte uns Petrus ins Haus. "Das ist doch ein Aufruf zur Unterstützung einer krimimnellen Vereinigung", rief Petrus. "Da hättest du auch gleich noch den Stern und das Schwert der Zeloten-Armee-Fraktion drunter malen können!" "Äch. dazu ist der Text zu gut", widersprach ich mit nicht unberechtigtem Stolz. "Und den kleinen, aber feinen Unterschied wird Pille schon verstehen. Hoffe ich..." Daß er mit uns nicht wie mit einer Salami fertig würde, Scheibe um Scheibe, sollte der Prokurator zwischen meinen Zeilen lesen, und daß er uns nicht zwingen würde, im ZAF-Iranisch zu antworten. Und sicher war er nur ein kulturvollerer Imperialist, der Judäa als sein Sprungbrett in die tiefere Dritte Welt möglichst schonend behandeln wollte, ein Handlanger des Militärisch-Finanz-Industriellen Komplexes und so weiter, doch das wußte er erstens selbst. Zweitens hatte der Slang der ZAF nichts mit dem zu tun, was die Leute auf dem Markt und vor den Konkursrichtern erlebten, und drittens hatte ich einfach keine Lust, Mose, unsere Sprache und unsere Geschichte den Priestern zu überlassen. "Hoffst du", keuchte Petrus, nur wenig beruhigter. "Und wenn nicht?" "Ich wollte niemals nie kämpfen", flüsterte ich, damit Maria, die ich so oft des Gegenteils versichert hatte, nicht mithören konnte. "Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert... Wenn ich dich an deine Formulierung aus meiner Ostermarsch-Rede erinnern darf..." "Das ist ja der Beweis", schnaufte Petrus. "Ohne meine redaktionelle Arbeit, verehrter Meister, würdest du längst am Kreuz hängen!" "Nicht mehr", sagte ich und lachte. "Schon längst nicht mehr... Und du darfst gern ein paar Gegendarstellungen schreiben und plazieren!" "Aber bis die erscheinen, sind längst ein paar Marktstände abgefackelt, ein paar Römer vermöbelt!" "Worum hast du denn nun eigentlich Angst?" Ich drehte Petrus den Rücken, was noch immer das wirksamste Mittel war, ihn zu überzeugen. Ich hob den Deckel vom Windeltopf, rührte mit dem Spaghetti-Löffel darin herum, und ich mußte sogar noch mit dem Abwasch beginnen, bevor Petrus nachgab. "Vielleicht hast du recht... Meister! Du sagst selbst, wir sollten jedes deiner Worte wie einen fleckigen Pfennig prüfen!" "Aber nicht dieses: geh zu keinem der Jungs, eine Weile!" Und ich ließ Petrus stehen, ging mit dem großen Krug zum Brunnen, kehrte zurück und sah dem Wasser noch eine Weile beim Warmwerden zu, bevor ich nach dem Verräter fragte. "Ich bitte dich! Eine Streife: so schnell, um die Zeit, in dieser Gegend!" "Judas und ich verhaftet... Und du nur zufällig nicht dabei!" "Hm..." "Matthäus? Er schwärmt immer mal wieder von der Zeit beim Zoll..." "Und Simon meint, daß wir die Leute vom geraden Weg zur ZAF ablenken... Nein, nein! Ich will es nicht im Nachdenken herausfinden, sondern in der Vorsicht. Und du heulst, weil du mich nur verleugnet hast... Alter!" Noch an diesem Nachmittag sollte Judas freigelassen worden sein, wie es im Gerücht hieß. Allerdings erfuhren wir davon erst in derselben Stunde, gegen deren Ende Thomas heulend ins Haus getaumelt kam, weil sich Judas sofort nach der Freilassung erhängt haben sollte. "Es war Mord", schrie mich Thomas unter Tränen an. "Schreibe! Und schreibe, daß es Mord war!" Ich nickte, aber schnell nahm Maria Mose aus der Wiege und gab ihn mir. "Du hast Kinderdienst, Süßer! Ich bin mit Sarah verabredet, zum Stricken." "Seit wann kannst du denn stricken?" "Seit einer Woche bin ich schon verabredet", beharrte Maria. "Und Rahel hat auch wieder Temperatur, glaube ich."
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Jeschua
Kapitel 1 Isa |