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Kapitel 5Im Gedenken an diesen Tag kehrte ich nie gern nach Nazareth zurück, das an seiner aristokratischen Gesinnung eher umso fester hielt, je mehr es unter dem Druck der römischen Wirtschaftsmacht verfiel. Noch gegen Ende der Wanderjahre war es Judas, der darauf beharrte, daß wir nicht eine Stadt mit unserer Predigt des Wandels verschonten, und bei der Diskussion der Route war er grob unfair geworden. "Oder soll Gottes Reich der Gleichheit und Arbeit überall siegen, nur die Stadt, in der deine Familienklitsche steht, ausgenommen?" Petrus jaulte, obwohl die Fischereigenossenschaft seines Vaters längst versteigert war und ich nur sauer lächelte. "Und fürchtet unser Befreier statt der Macht Roms die Ohrfeigen seiner verrückten Mutter?" "Jetzt reicht es", brummte ich. "Verrückt ist sie, aber nie wäre es ihr eingefallen, den Sohn Gottes zu ohrfeigen! Wie sie meinte..." Trotzdem hatte ich auf dem Umweg über Nain und Sepphoris bestanden, wo wir auch noch nie gewesen waren, und auf diesem Bogen um Nazareth retteten wir noch vor Maria den Zollbeamten der niederen Laufbahn Levi Matthäus. "Was schmuggelt ihr, verdammte Bande", begrüßte uns der Zöllner barsch. Da er noch zwei Dutzend Bündel vor sich liegen hatte, versuchte er, uns mit diesem herrischen Ton aufzuhalten. "Und quatscht nicht erst! Ich krieg es sowieso raus!" "Verbotene Bücher", sagte ich ehrlich. "Schnaps aus Hippos, und für meine Mutter habe ich eine gehämmerte Kupferschüssel aus Gadara dabei. Die mir zu lassen, würde ich dich allerdings freundlichst bitten..." Die Kumpels sahen mich entsetzt an, und auch der Zöllner war irritiert. "Und Waffen, nicht", fragte er und zwinkerte mir zu. "Du gibst das alles zu, damit ich euch nicht nach Waffen filze, stimmt's? Hältst mich für blöd, wie?" "Klar", sagte ich. "Sonst müßtest du nicht alten Weibern zwischen die Beine und Babys in die Windeln fassen. Nur: für so blöd halte ich dich auch nicht... Suche nach Waffen, von mir aus, und Thomas wird es außerdem noch toll finden, wenn du ihn angrabschtt!" Thomas kicherte, Judas zischte ärgerlich, und der Zöllner winkte drei eingeschüchterte Weiber unkontrolliert durch die Sperre. Es ging etwas vor, das spürten wir alle, aber nicht einmal ich hätte sagen können, was mit uns geschah. "Auch Waffen also", bellte der Zöllner und wurde sofort leiser. "Verbotene Bücher und Waffen..." Er war nicht wirklich dumm. Daß er zwölf leidlich jungen Männern allein und allein kraft seines Amtes die Schwerter abnehmen konnte, bildete er sich nicht ein. Er begriff es sogar vor den entsetzten Kumpels. "Was soll ich denn machen, Mensch? Es gibt keine anderen Jobs in dem Kaff, und ich habe Familie: Frau und zwei Kinder, eine kranke Mutter!" "Und? Nicht ich habe dich angebrüllt", sagte ich und wandte mich Andreas zu, der die Pergamente schleppte. "Gib ihm den Kommentar zum Propheten Micha! Wir kennen ihn auswendig, und er kann ihn heute abend lesen und morgen früh als ganz fetten Fisch abliefern." "Du... Du glaubst, daß ich das lese", rettete sich der Zöllner in seine laute, amtliche Autorität. "Ja, freilich... Alle, die wir hier stehen, kennen doch die Verlockung verbotener Bücher, nicht? Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen... Wer, außer den Generalen und Waffenschmieden, könnte da auch etwas dagegen haben?" "Ihre Unteroffiziere und Unterhosen-Schnüffler", knurrte Judas. "Du redest nur halb solange mit unsereinem, Meister!" "Weil wir uns darin ausnahmsweise einig sind", sagte ich. "Es ist wichtig, die zu überzeugen, die sich selbst mit Blödheit und darum nach uns schlagen!" "Autsch", schrie Petrus, "autsch, das ist groß: Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten." "Na, die Sünder seid ja wohl ihr", sagte der Zöllner und drehte den noch immer abwartenden Frauen ganz den Rücken zu, wedelte ihnen hinter dem Rücken mit der Hand, seine Sperre zu passieren. "Die Sünder seid doch nun wirklich ihr!" "Das ist nur eine Frage des Standpunktes." Ich warf mein Bündel auf die andere Schulter. "Ständest du zwischen den Frauen oder wärest du bei uns..." "Steinigen würden die mich", sagte der Zöllner. "Und ihr... Also haut ab! Laßt das Buch hier, und 'ne Flasche Schnaps, und haut schon ab! Oder..." Judas faßte unter den Mantel, an den Messergurt. "Oder bleibt, wenn ihr wollt, und wir quatschen noch ein bißchen?" "Wir würden deine Mutter aufregen", gab ihm Thomas zu bedenken. "Das ist doch nur so eine Redensart... Ihr würdet mich..., ich könnte mitgehen...? Ich bin Matthäus, Sohn des Levi!"
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Jeschua
Kapitel 1 Isa |