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Kapitel 7Mit dem Geld des Schweinezüchters zahlte ich mein Medizinstudium an, einem Mann, der damals weit bekannter war als ich: Johannes. Johannes stand vor allem mit den mehr körperlichen Krankheiten auf Kriegsfuß, und kurz gefaßt war seine Theorie, daß sie von der Unsauberkeit kämen. Darum unterhielt er am Jordan eine Badeklinik, die großen Zuspruch hatte, und hätte ich mir nicht meinerseits schon einen bescheidenen Namen ge-macht, hätte mein Geld wohl nicht genügt, mir eine Praktikantenstelle zu beschaffen. Selbst nachdem er eingewilligt hatte, blieb sein Verhältnis zu mir gespannt. Ich erwähne das, weil es in meiner offiziellen, von Petrus redigierten Biographie heißt, Johannes hätte seinen Patienten bei unserer ersten gemeinsamen Visite ehrfurchtsvoll angekündigt: "Ich reinige euch mit Wasser; der aber nach mir kommt, ist stärker als ich, und ich bin nicht genug, ihm die Schuhe abzunehmen; er wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer kurieren." Etwas ähnliches hatte Johannes wohl gesagt, doch war seine Betonung weit weniger schmeichelhaft gewesen, und seine Patienten trauten mir danach niemals ganz. Sei 's drum: das ist zum einen lange her und ist zum anderen übergenug dadurch aufgewogen, daß Johannes die Krankheit so haßte, daß er nicht einmal vor dem König erschrak. Eingeladen, Salome, die erwählte Braut des Königs, zu untersuchen und der geplanten Verbindung den ärztlichen Segen zu geben, warnte er Herodes geradezu brutal vor den im Inzest drohenden Erbkrankheiten. Auch brachte er bei der Gelegenheit seiner ersten und letzten Audienz all seine Klagen über die Mängel in der Schmutzwa- sser-Ableitung und die hygienischen Zustände in den öffentlichen Hospitälern vor und verlangte im Interesse der Armen die Aufhebung des Abtreibungsverbots. So vernünftig die Gegenstände seiner Rede waren, hatte es doch vor Johannes noch nie jemand gewagt, Herodes soviele Wahrheiten über die Natur und die Zustände in seinem Reich zu sagen. (Sein namensgleicher Großvater, der Metzger der ersten ZAF-Generation, hatte immerhin seine zwei ältesten Söhne erdrosseln lassen, weil er ihre Thronansprüche fürchtete, und er selbst sollte der Zungenkünste seiner Schwägerin Herodias wegen den alkoholkranken Bruder immer neu zum Trinken verführt haben.) Als Arzt gerufen, wurde Johannes als Rebell fortgeschafft: in Ketten wurde er, der Reinlichkeitsapostel, in die Gefängniskloake geworfen, und später soll Salome zugesehen haben, wie die Henker Johannes buchstäblich in Stücke hackten... Wir zerstritten uns übrigens aus einem lächerlichen Anlaß. Eine der Patientinnen, ein junges Mädchen, litt unter fürchterlichem Juckreiz. Johannes führte ihn auf Milben oder ein Ekzem zurück, während ich eine fixe Idee diagnostizierte. Die Kleine war aus gutem judäischen und prüden Haus und war bei einem Besuch bei römischen Bekannten von einer Negersklavin gebadet worden, weshalb sie sich für ewig beschmutzt fühlte und sich außer ihrer Haut auch alles abzureißen suchte, was irgendwie mit Afrika in Berührung gekommen sein konnte: Baumwolle-Nachthemden und Balsam-Verbände. Aus diesem Grund besorgte ich und schenkte ich ihr eine Wandertaube, die den europäischen Winter ja in Afrika verbringt, und während der Visiten streichelten wir den zahmen Vogel gemeinsam und ich erzählte ihr Schnurren aus Herodots Afrika-Beschreibung. Der Mann war ja nie dort gewesen, und obwohl seine Geschichten den Vorurteilen des Mädchens auf den Punkt genau glichen, konnte sie über den aufgeschriebenen Unsinn lachen. Für Johannes aber war ein Tier am Krankenbett nur ein Ansteckungsherd und ein Attentat auf seine Badeklinik, und nicht einmal, daß die Taube mir auf der Schulter saß und mir Krümel aus den Haaren pickte, konnte ihn mit dem Vogel versöhnen. Er warf uns beide aus dem Haus, und erst sein Todesurteil stimmte ihn versöhnlich. Seinen Abschiedsbrief schrieb er an mich, was ich nun wieder übertrieben fand, aber seine Größe kam wohl von dieser großen Borniertheit. "Schöne Dinge hört man über dich, Taubenzüchter! Die Blinden sollen sehen und die Lahmen gehen; sogar Aussätzige sollen wieder rein werden, und die ungewaschenen Vorstädter sollen zu glauben beginnen, daß ihre gute Zeit kommt... Obwohl ich etliches davon für übertrieben und manches für medizinisch unmöglich halte, freut mich diese Nachricht im ganzen schon. Das sollst du wissen, damit du mir nicht über meinen Tod hinaus grollst und um unseres Knatsches willen nicht die Kanalisation vernachlässigst, wenn du König geworden bist. Des weiteren: investiere in Badehäuser und schaffe den Brauch ab, daß die Ärzte die Honorare von den Kranken kassieren! Und komm nicht auf die königliche Idee, die Tochter deines Bruders zu heiraten, Taubenzüchter! Das gibt blöde Kinder... Im übrigen: vergib mir, Kumpel! Vielleicht, daß wir uns nur zu ähnlich waren..." Meinerseits konnte ich nur noch über Johannes schreiben, und ich bemühte mich ehrlich um Gerechtigkeit: "Unter den Leuten, die sich um unser Volk verdient gemacht haben, war kein Größerer als Johannes... Als guter Arzt wollte er den Dreck der Vergangenheit und den Kot der Gegenwart abwaschen, und er starb an einer Krankheit, die größere Gegnerschaft verlangt. Er aß Körner und trank keinen Wein, und so galt er als ein wenig sonderbar und stand seinen Mördern schließlich allein gegenüber. Es wird nötig sein, daß wir fröhlich essen und trinken, und alle zusammen, (Fresser, Weinsäufer, Zöllner und Sünder), als Freunde aufstehen und unseren Kindern endlich eine saubere Welt schaffen."
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Jeschua
Kapitel 1 Isa |