1.

Wir waren auch an diesem Vormittag dabei, unseren Garten zu bestellen. Gelegentlich, wenn sie ihren davon verspannten Rücken gerade machte, stöhnte Blanche. Diese Verrichtung, stöhnte sie, könnte einmal gut als Metapher für die Quintessenz aller kritischen Philosophie stehen. Selbstverständlich widersprach ich ihr dann nicht. Blanche ist meine Frau, und als kritischer Philosoph hatte ich mich ja selbst versucht. Das wäre freilich nicht nötig gewesen. Ein Garten, zumal einer in einer sandigen Gegend und in einem Juli wie diesem, zeigte überdeutlich, was er brauchte. Wir waren auch an diesem Vormittag dabei, unseren Garten zu bestellen, und während ich die beiden Wassereimer am Burgbrunnen füllte und über den Beeten auskippte, verwöhnte Blanche ihre Würmer. Blanche hatte lange nach einer nützlichen Verwendung für die dicker und zahlreicher gewordenen Flugschriften gesucht und war darauf verfallen, sie klein gerissen und angefeuchtet in einen der Misthaufen zu graben. So fütterte sie nun katholische und protestantische Würmer, und zwischen beiden lag das Terrain der »Nachbarn«. So nannte Blanche die Würmer, die von ihr die Blätter mit den Akt-Holzschnitten und den Skandal-Nachrichten bekamen.

"Du erkennst sie an ihren verträumten Windungen", pflegte Blanche gegen mein Lachen anzureden. "Und sie kriechen dir auf den Angelhaken wie Bürgerfrauen auf einen Grafenschwanz, im Traum. Es sind die blödesten von allen, eben Blutregenwürmer. Ehrlich!"

Wir waren auch an diesem Vormittag dabei, unseren Garten zu bestellen, und dazu trugen wir von unseren ältesten Sachen, Blanche wie gewöhnlich etwas weniger. So waren wir auch darin den Männern verschieden, die plötzlich ihre Pferde über die Reste unserer Burgmauer steigen ließen. Diese Männer waren Soldaten, und es waren keine abgekämpften und schartigen Haudegen, sondern ein poliertes Sondereinsatzkommando. Sie platzten in unseren Tag, johlten und lenkten die schwitzenden Tiere in immer engeren Kreisen um Blanche. "Don Michael von Wolfenwasser", rief mich eine befehlsgewohnte Stimme in den Hof der alten Burg. "Dein Orden schickt dir einen Außerordentlichen Botschafter."

Ich folgte diesem Ruf nur zögernd. Langsam leerte ich die Eimer auf das Spinatbeet, aber schließlich durfte niemand von mir erwarten, daß ich zusah, wie sich acht Männer über Blanche entleeren würden. Die Wassereimer nahm ich mit, weil alles das so außerordentlich nicht war.

Immer wenn eine Revolution oder ein Glaubenskrieg gegen die Mauerreste von Burg Wolfenwasser brandeten, pflegten unsere aufbrechenden Nachbarn schnell noch den Turm und Blanche zu besteigen. In der Hoffnung, es für ewig zu setzen, zogen sie das bunte Tuch ihrer jeweiligen Sache auf, und sie puderten Blanche in der ebenfalls vergeblichen Hoffnung, sie damit irgendwann weiß zu bekommen. Blanche hatte ihnen schon als Burgfräulein oder Rebellin hinhalten müssen, als Jüdin, Rechtgläubige oder Mohammedanerin, als Hexe, Hure oder Atheistin, aber sie war immer wieder als sie selbst aufgestanden. Während wir das Banner der nun weiter hin erfolgreichen Sache einholten, bat sie mich um die Verzeihung ihres unbeherrschten Jammerns. Sie könne sich eben ums Verrecken nicht an die Gebräuche zivilisierter Völker gewöhnen, und ihr schiene noch immer, die Frauen seien gar nicht zum Zweck der Vergewaltigung erschaffen worden. Ich verzieh ihr mit derselben Regelmäßigkeit und Unbelehrbarkeit, und dazu faltete ich die Fahne, um sie in die längst überquellende Kommode mit unseren Bettlaken quetschen zu können.

"Der Ritter des Heiligen Geistes Michael von Wolfenwasser?", höhnte der zu Pferde verbliebene Außerordentliche Botschafter, sobald er mich auftauchen sah. "Du siehst jedenfalls aus, wie man mir diesen Bruder beschrieben hat."

Ich gähnte und hob mir nach barbarischer Sitte die Knöchel von Zeige- und Mittelfinger vor das klaffende Maul. "Abgelehnt", sagte ich. "Und wenn es dem Papst dreimal im Kreuze zieht... Und haben diese Heiden wieder einmal Jerusalem erobert, egal: auch sie werden die Kanalisation nicht in Gang bekommen und bald vor dem Gestank kapitulieren."

Das Pferd der mit weißschwarzem Stoff etikettierten Blechdose scheute vor meiner Rede, vor Blanches Heulen oder dem Gelächter der sie wildgebrauchenden Eskorte. Hinter seinem Hochgesetzten aber keifte unser Provinzweiser Walther von Lauenburg.

"Es ist dies die fluchwürdige Denk- und Redensweise, die uns diesen Mann ausstoßen ließ, gnädiger Herr! Achtet sie sowenig wie seinen stinkenden Atem und verzeiht unserer Tafelrunde, daß sie mit Wichtigerem befaßt war als mit der Trockenlegung dieses stinkenden geistigen Sumpfes! Würdigt, gnädiger..."

"Schnauze", tönte es aus der Chefdose. "Seinen Kontostand kann ich mir vorstellen, und mithin kann er höchstens mein Roß irritieren." Ein eiserner Handschuh hob sich wie zum Segen. "Für die heilige Mission, die dir Reichstag und Orden heuer zu übertragen haben, Michael von Wolfenwasser, scheinst du uns trotz allem der geeignetste Kopf der Christenheit!"

Ich faßte mir vor Schreck ans Glied. "Na, andererseits kann ich meinem Bankier ja die Freude machen, dir wenigstens zuzuhören. Aber vorher, lieber Bruder und hoher Herr, sei so gnädig und hole deine Kompanie von meiner Frau!"

"Herr Walther..." Mit ein und derselben Handbewegung schickte der Daimler unter den Rittern seinen Assistenten aus und forderte von mir, ihm beim Absteigen zu helfen. "Wir sind uns nicht unverwandt", stöhnte er durch das Rasseln.

"Vom Kontostand abgesehen", erinnerte ich ihn.

"Ja, darauf lege auch ich wert!" Er klappte das Visier auf und zeigte mir ein weiches, rasiertes und nicht altes Gesicht. "Norbert, Graf von Branntheim... Und ein Branntwein wäre nicht unangenehm!"

"Keine schlechte Gegend, Branntheim", sagte ich, während ich ihm vorausging. Entgegen unserem Ruf waren wir Wolfenwassers privat gastfreundlich und höflich, und unser Ruf rührte von den Gebräuchen des Mittelalters, kaum eine Begegnung oder Regung als private anzusehen. "Von euren Branntwein- und Hotelpreisen abgesehen. War zu einem Dichter-Wettstreit zu Branntheim, bei freier Logis. Ansonsten aber erfolglos." Um einen Hocker frei zu machen, fegte ich die Abendration der Nachbarwürmer in Richtung Küchenherd. "Brauchen könnte ich also eine Mission, egal wie heilig."

"Nur keinen Kreuzzug, wie?" Herr Norbert nahm den Helm ab und raffte seinen Behang beiseite, ehe er sich auf das unlackierte Holz setzte. "Daß es dem Papst im Kreuz zieht, darf ich das gelegentlich zitieren?"

Blanche schlich in die Küche, und es zerriß mir das Herz. Von ihrem Hemd war nur noch der rechte Ärmel übrig, aber weil wir Besuch hatten, behielt sie den ebenso an wie sie die braune, mit Laub und Papierfetzchen vermengte Schmiere auf dem Rücken und an den Schenkeln nicht beachtete. Sie nahm die Tonflasche und drei Becher vom Regal neben dem Herd, stellte die Becher hin und goß uns allen ein.

"Sehr freundlich von Euch", sagte Blanche zu unserem vornehmen Gast und kippte ihr Quantum ohne Förmlichkeit. "Und nun erlaubt, daß ich mir etwas dem Anlaß nicht Entsprechendes anziehen gehe!"

Norbert, Graf von Branntheim, hatte rote Ohren bekommen und nickte hastig. "Ich wußte nicht, daß das deine Frau ist. Ich hätte den Knechten sonst nicht erlaubt... Sie... Sie sieht irgenwie, nun, eben nicht wie die Frau eines Bruders aus. Wie soll ich nur sagen...?"

"Sie ist ein bißchen dunkler", half ich ihm gern aus. "Sie hat auch, könnte man vielleicht sagen, eine Art Affennase. Und Wulstlippen, nicht?"

"Ja, genau!"

"Ja, und genau deshalb habe ich sie hier!" Ich schob dem Geliebten Bruder und Hohen Herrn den Becher näher und hob den meinen.

"Tatsächlich", staunte Herr Norbert und schluckte.

"Also", fragte ich. Was ist das nun für eine Mission?"

"Eine heilige, wie gesagt."

"Soll das heißen, daß es eine lohnende ist?"

"Säße ich dann bei dir?"

"Dann sitzt du bei mir falsch, Bruder! Heilige Sachen mache ich nur gegen Vorkasse."

Der Graf zerrte sich die Eisenhandschuhe von den Fingern, um den Krug fassen und uns nachgießen zu können. "Kassieren würden wir ja... Die Hypothek... Die Bank würde den Kredit für das neue Pferd aushändigen, und daß du wieder ins Geschäft kämest, wäre in Geld gar nicht auszudrücken, nicht?"

Ich stöhnte, als säße ich in einem Anzug wie seinem auf glühenden Kohlen. "Es ist nur so, daß ich gar nicht in eure Geschäfte zurück will, Herr Norbert, Graf von Branntheim! Wir müssen den Garten bestellen..."

In diesem Augenblick kam Blanche aus dem Schlafzimmer zurück. Sie wollte zum Brunnen und hielt das nun gewählte Kleid wegen des Schmutzes weit von sich, aber ebenso gut konnte ich das als eine Anklage verstehen. Wir hatten das gute Stück vor Jahren unter einer gepfählten Baroness gefunden, und inzwischen machten es die bunten Flicken zu einer Art Faschingskostüm. Freilich würde Blanche abstreiten, an der Tür gelauscht und dieses Kleid mit dieser Absicht ausgesucht zu haben, und ich würde ihr ebenso wenig zugeben, mich um eines Kleides verkauft zu haben: also konnte ich es vielleicht tun.

"Aber ich töte keinen", sagte ich dennoch. "Und ich werde niemanden bei der Inquisition oder gar bei der Steuer anzeigen. Und ich will keinen Missionarren über mir haben."

"Außer Gott, dem Papst und dem Kaiser selbstverständlich", ergänzte Norbert, Graf von Branntheim, routiniert und starrte auf die Tür, hinter der Blanche verschwunden war. "Und sie hat keine Mitgift gehabt oder dir das Leben gerettet oder so? Erstaunlich! Erstaunlich, aber selbstverständlich deine alleinige und freie Entscheidung... Es ist..."

"Phantastisch", gab ich zu, "erschöpfend und erfrischend, einfach schön und..."

"Es ist zum größten Teil Recherche-Arbeit, wovon ich zu reden habe", eröffnete der Abgesandte des Ordens die Unterweisung.

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