Die schärfsten Kritiker der Elche
waren früher selber welche...

Der wahrscheinlich nicht erst seit Paulus stimmige Spruch (obwohl: gab es in Judäa/Palästina jemals Elche?) bestätigte sich nach der "Wende" in der DDR, nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Weltsystems, des Ostblocks, millionenfach: in allen sozialen Schichten, IQ-Clustern und Parteien.

Von den skrupellosesten Schweinen am Staats- und Parteitrog (Mitglied des Politbüros, ND-Chefredakteur und Berliner Parteichef Schabowski in Deutschland, Mitglied des Politbüros und Gorbatschow-Berater Jakowlew in Rußland) bis zu den dümmsten und ärmsten Parteisekretären und Kaffeeköchinnen auf dem Müllhof: niemand hatte gewußt, geahnt, gewollt... Wundersam verdoppelte sich die Bevölkerung der DDR: 16 Millionen Opfer suchten die 16 Millionen Täter... Naja, ein altes Spiel.

Aber selbst die, die wegen ihrer Überzeugung oder ihres Starrsinns, wegen ihres Gewissens oder neuer politischer Ämter Linke bleiben wollten oder mußten, wollten alles anders machen. Besser, natürlich, demokratischer und pluralistischer... Und gerade die Wort- und Parteiführer unter ihnen machten auf ihre Art den Schabowski: Kein Blick zurück! Keine Fehlerdiskussion! Von den Siegern lernen, heißt Demokratie lernen! Wir werden wieder wer!

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Der erste Grund, daß ich an der Doktorarbeit weiter festhalte, ist also radikal aristokratisch: Unterscheidung von diesem intellektuellen Pöbel.

Der zweite Grund: in der Arbeit ist das Bemühen dokumentiert, den stalinistischen Horizont zu überwinden, bevor das Mode wurde, und deshalb ist diese Arbeit wesentlicher, tief schürfenderer als alles linke und bürgerliche Aufarbeitungsgelabere. (Es gab schließlich gute Gründe für den Stalinismus, und daß er besiegt wurde, ist noch lange kein Argument gegen ihn.)

Der dritte Grund: die Problemstellung der Arbeit und der Lösungsweg erklären sich politisch, intellektuell und persönlich konkret. Darum sind sie unverwechselbar und unwiederholbar. Ohne ausschließen zu wollen, daß andere Fragen zu denselben Antworten (oder zu anderen, noch richtigeren) führen könnten, enthalten die meinen also ebenfalls zu berücksichtigende Interpretationen.

Der vierte Grund: und da akzeptiere ich das wissenschaftliche Ergebnis der Arbeit und sage es - weil es nicht besser geht - mit dem Dichter:

Wenn die Kämpfer gegen das Unrecht besiegt sind
Hat das Unrecht doch nicht recht!!
                                                          Bertolt Brecht

Und damit meine ich in erster Linie schon das kapitalistische Unrecht, aber eben nur in erster Linie. Es geht also um schlichte Rechthaberei.

Der fünfte Grund: die Arbeit ist (wie widersetzlich und anders bemüht auch immer) Teil eines politischen und intellektuellen Scheiterns. Sie nannte die Gründe dafür, sogar prophetisch und um es abzuwenden. Sie ist (heute sogar viel unerbitterlicher als damals) gegen die dafür verantwortliche Dummheit, Kulturlosigkeit und Machtverliebtheit. Aber sie kann dabei nicht davon absehen:

Das Unrecht geht heute einher mit sicherem Schritt.
Die Unterdrücker richten sich ein auf zehntausend Jahre.
Die Gewalt versichert: So wie es ist, bleibt es.
Keine Stimme ertönt außer der Stimme der Herrschenden.
Und auf den Märkten sagt die Ausbeutung laut: Jetzt beginne ich erst.
Aber von den Unterdrückten sagen viele jetzt:
Was wir wollen, geht niemals.

Wer noch lebt, sage nicht: Niemals!
Das Sichere ist nicht sicher.
So, wie es ist, bleibt es nicht...

Bertolt Brecht

 

Warum das hier steht