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RückwegeSelbst ein Kochbuch war in der DDR ein naher Verwandter des „Kommunistischen Manifests“. Es teilte sich mit diesem ja denselben Hektar gerodeten, zerschroteten und verfilzten sibirischen Waldes, und es musste einem Verlagsdirektor also beinahe ebenso wichtig gewesen sein. Darum durfte das Kochbuch auch keine Fehler bei den Überschriften und Maß-Angaben enthalten, was schon einmal den nicht schmalen Berufsstand der Gutachter und Lektoren ernährte. Damit diese Hilfsarbeiter der Literatur später aber nicht durch jeden magenkranken kleinen Staatsbeamten zum Holzhacken geschickt werden konnten, ließen sie sich ihre Arbeit noch vom Apparat eines der höchsten Staatsbeamten, des Stellvertretenden Kulturministers Klaus Höpcke, „abnehmen“. Zumindest Lyrikbände und Romane entstanden so, in einem auch ohne politische Zensur aufwändigen Verfahren. Die Bedenken verantwortungsbewusster Genossen kamen immer noch dazu, und ein wirkliches Kochbuch hätte vor dem Druck noch Genehmigungen vom Prognose-Sachbearbeiter der Abteilung Tierproduktion und des Einkaufsleiters der Abteilung Exotische Gewürze im Ministerium für Landwirtschaft, Nahrung und Genussmittel gebraucht. Aber wie auch immer: Jedes in der DDR noch nicht einmal erschienene Buch hatte bereits so viele Leser gehabt, dass es nach bundesdeutschen Maßstäben als literarische Sensation gelten müsste. So konnte man auch als richtiger Schriftsteller gelten, wenn man mit dem ersten Manuskript irgendwo auf dem langen Marsch durch die Institutionen stecken geblieben war, so wie heute eine lange Liste im Internet zu bestellender Titel nur beweist, dass man sich öfter mal eine Druckerei und eine schlecht bezahlte Computer-Setzerin leisten kann. Deshalb macht es auch gar nichts, meinten meine Helfer bei diesem Buch, wenn ich an diesem Punkt ehrlich bin. Zwischen den Papierstapeln, die heute als vielfältige Literatur-Landschaft ausgegeben werden, wird mein Geständnis nicht auffallen, und das Delikt selbst dürfte auch schon verjährt sein… Denn es war so, dass sowohl Helga und Kurt als auch Uwe mir herzlich zustimmten, dass man als halbwegs vernünftiger Mensch in Deutschlands neuem Osten nicht leben konnte. Aus Gründen der Steuer-Rückerstattung aber, rieten mir schon Helga und Kurt, sollte ich unbedingt die unbezweifelbare Hauptwohnung im neuen Eigenheim meiner Eltern im Melderegister eintragen lassen. Dadurch konnte ich die Kosten für einen Zweit-Wohnsitz am Arbeits-Ort und für jährlich vierzig Heimfahrten geltend machen. „Wenn du durch etwas auf keinen Fall zu richtig Geld kommst“, sagte Helga in ihrer mütterlich direkten Art, „dann ist das ehrliche Arbeit! Ist zwar nicht mehr ganz so einfach wie früher… Aber wenn du dich geschickt anknallen und deshalb heiraten lässt, und wenn du dann mit einem guten Anwalt auf Scheidung und Unterhalt gehst, kommst du immer noch besser zurecht. Bloß bis dahin mache unbedingt das mit der Steuer!“ Lohnend war die Abrechnung der Heimfahrten freilich nur, wenn ich sie nicht wirklich machte, und an Langeweile litt ich ja an meinen freien Wochenenden nie. Manchmal begleitete ich Cypress zu ihren Wochenend-Verabredungen, und manchmal holte mich Helga zu einem Hausputz in High Heels und Hundehalsband aus der Einlieger-Wohnung. Kurt war immer bereit, mir zu zeigen, wo Stalin den Most hin getan hatte und wofür Kohl den Solidar-Zuschlag verlangte, und später waren meine One Night Stands mit Uwes Geschäftspartnern oft Kurzbesuche in romantischen oder Golf-Hotels. Kurz: Es war gegen alle Vernunft, wenn ich meinen Gebraucht-Renault zum Amselbusch 27 lenkte, einem Hügel, der wie der Unterkiefer einer zahnfleischkranken Ziege aussah. Schmal und bis zu den schwarzen Wurzelrändern gelb standen die Haus-Zähne in unregelmäßigen Reihen, und zwischen ihnen steckten die Garagenreste der Car-Ports. Der Busch und das LPG-Gras waren restlos aufgefressen, und sogar wenn alle Thermo-Fenster geschlossen waren, drangen statt Amsel-Liedern die Basstöne der neuen HiFi-Anlagen durch Hohlziegel, Gesundheits-Kissen und Trommelfelle. An den Sonnabend-Nachmittagen schritten die verschuldeten Haushaltsvorstände über die schroff abgebrochenen Stufen der künftigen Terrassen und wässerten den eigenen Streifen Baulehm, und aus den Großmarkt-Gartensesseln schimpften die Hausfrauen auf den nicht mehr für Wäschepfähle ausreichenden Freiraum und den Grillqualm der Nachbarn. Die Fernsehprogramme wurden vom selben Satelliten aus der gleichen Richtung in die Schüsseln gegossen, und das Eigene war in dieser Eigenheim-Siedlung die gleichermaßen an verschiedene Banken verpfändete Miete für die verschiedenen Wohnungen der Vergangenheit. „Aber Honeckers Arbeiterschließfächer“, sinnierte mein Vater dennoch düster. „In zwei, drei Jahre sammeln sich dort doch die Sozialfälle, Türken und Fidschis. Werbezettel und Drogenspritzen in den Hausfluren… Na, das kennst du ja aus Köln.“ „Obwohl das Einkaufen natürlich noch ein Problem ist“, relativierte meine Mutter. „Mit dem Bus ist das eine Tagesreise… Aber heute könnten wir zum Erlebnis-Markt im Elbe-Park! Da tritt sogar Dagmar Frederic auf…“ „Die Dagmar…“ Sie war der ganz unstrittige Beweis, dass nicht alles im Osten gut gewesen war, und wir konnten uns nicht einmal trösten, darüber nicht Bescheid gewusst zu haben. Wenn die Fernsehzeitung uns ihre mit Walnüssen aufgetriebenen Apfel-Bäckchen zeigte, wurde es Weihnachten, und Jahr für Jahr registrierten wir dabei die anwachsende Zahl ihrer Ehen und Krähenfüße. Unsere Dagmar, das unbekannte Wesen. Die haltbarste Schlagersängerin der DDR, und doch hatte sie nie ein Lied gesungen, an das sich jemand erinnerte… „Ja, klar, dass du spottest“, sagte mein Vater, und als souveräner Inquisitor warf er die „Camel“-Schachtel zu meiner Tischkante. „Aber die Frederic wusste, wo sie hingehörte! Bis zum Schluss… Sie hat damals im Palast gesungen, als ihr Chaoten euch mit den Sicherheitsorganen geprügelt habt.“ „Tanja doch nicht“, versuchte meine Mutter, an mein sibirisches Alibi zu erinnern. Mein Vater schmatzte am Filter der Zigarette und machte einen hörbaren Lungenzug, und vor mir stand für den Toast nur ein Glas Orangen-Saft, frisch aus der Saftpresse aus einem Baumarkt. Gar nichts hatte sich geändert, trotz der cremefarbenen Küchen-Fliesen und der Möbel aus dem Quelle-Katalog, trotz Vaters glänzenden Jogging- statt des braunen NVA-Trainingsanzugs und trotz Mutters Haar-Rot aus dem Teenie-Regal von „Rossmann“. Ich hatte es also noch immer, mein Zu Hause aus fest gefügten Gewissheiten, Bauernschläue und Staatsvernunft, in der Provinz des provinzielleren Deutschlands. Ich rauchte noch eine Zigarette, bevor ich mit dem Satz kapitulierte, dass ich sowieso eine neue CD für die Rückfahrt brauchte. Oder brauchte ich für mein damaliges Auto noch Kassetten? Sicher weiß ich nur noch, dass ich im mir zugedachten Zimmer wie in einem Provinz-Postamt schlief – vor einer Mauer verschnürter Bücherpakete aus Bilibino. Immer beim nächsten Mal wollte ich sie auspacken, und immer kaufte ich mich in der darauf folgenden Woche ein teures Stück tiefer in Köln ein. Die Lifestyle-Zeitschriften dafür wertete ich ja auch beruflich aus, und auf dem Pinien-Couchtisch mit einer Platte aus Antik-Marmor lagen immer die Bilderbücher zu Uwes Lifestyle: beim „Playboy“ beginnend. Sein Blättern darin machte mich nicht eifersüchtig, soviel faltenloser als ich sahen die fein getuschten Models aus, in sowohl für Arbeit und Kampfsport als auch für sexuelle Aktivität unpraktischen Posen. Wir lachten sogar gemeinsam darüber, und deshalb dauerte es ein Weilchen, bis ich mich selber in einer nicht ausgetauschten Fetisch-Zeitschrift fest sah: Busty Dusty. Ihr Unterschied war, dass sie in meinem Alter schien, mit ungerupften Brauen. Die Haut um die Augen, um die Mundwinkel und am Hals ganz natürlich... „Ich hatte dir gleich zu Anfang gesagt, dass du was für deine Brust tun solltest“, erklärte sich Uwe und lächelte sofort vorsichtig. „Und sie tanzt sogar, in Amerika.“ „Ach? Ich hätte sie glatt für eine Gewichtheberin gehalten!“ Uwe lachte, und nach einem Schluck und einer Zigarette folgte er mir ins Bad und ins Bett, aber den Einschlaf-Whisky mit Eis servierte er gewissermaßen mit einer Silikon-Perle darin. „Nur du entscheidest das! Aber eine Brust würde ich dir schenken…“ Nein, ich verlangte keine Bedenkzeit. Diese Monstrositäten waren keinen Gedanken wert, und zum Monatswechsel legte ich das teure Heft zum Altpapier. Beim nächsten Treffen rettet Uwe es, und es half nicht, dass ich es am Morgen darauf in die Tonne drückte und mit einem Müllbeutel beschwerte. Uwe musste die Kölner Auflage der Zeitschrift aufgekauft haben, und faszinierend war der Gebraucht-Engel schließlich. Sie war augenscheinlich auch hängebrüstig gewesen, bevor man ihr den Makel zum Fetisch ausgestopft hatte, und was mich endlich überzeugte, war der Stolz, mit dem Busty Dusty das Netz ihrer speziellen Krampfadern zeigte. „Ich werde alle Klamotten neu brauchen“, kapitulierte ich eines Sonnabends in einem Golf-Hotel. „Und als Zugabe muss mir der Fleischer noch was vom Doppelkinn wegnehmen…“ Vom Umfang abgesehen schien mir so ein Brust-Ball nur der Punkt auf dem „i“. Amtlich hatte man verlangt, dass ich statt alter russischer Reaktoren nun alte deutsche Säcke aufheizte und herunter fuhr, und für billige Sprüche verdiente ich teures Geld: Was sollte also an einer letzten Veränderung und Verfälschung sensationell sein? Uwe sah den Eingriff vor allem als eine Investition, und von Geschäften verstand er etwas, und meinen Körper setzte ich schon längst bei Lust- und Glücksspielen… Der einzige Einwand, dass ich die Dinger viel schwerer los werden würde als Job und Geliebten, stand mir erst vor dem ersten Spiegel danach vor Augen. Na ja, und die Bälle wogen einiges und spannten heftig, noch so frisch und geschwollen. Ich heulte sofort los, und später heulte ich noch einmal, als Uwe die vermeintlich hartnäckige Schwellung als seinen Bonus, als das dazu gelegte Pfund erklärte. „Tanja… Gerade weil ich dich nicht für blöd halte“, sagte er, souverän grinsend. „Eine dämliche Hure ist auch noch ein zweites und ein drittes Mal unter das Messer zu kriegen. Und Dr. Fleischhauer hätte es nicht gemacht, wenn in den Hängern nicht genug Platz dafür gewesen wäre…“ „Aber so… So kann ich mich doch nirgends sehen lassen, zu Hause“, ließ ich zwischen zwei Schluchzern heraus und bemerkte, dass ich zugleich rote Ohren und Eiferbäckchen bekam. Das wollte ich ja gerade, einen endgültigeren Abschied als vor dem Praktikum in Tschernobyl. Isch woar, frei nach Kennedy, endlich eine Neu-Kölnerin. Ich war damit auch Kennedys Marylin geworden, Ludwigs Marquise Pompadour, des Heilands Maria Magdalena und die Aspasia des Perikles, und Barbara fallen immer noch neue Beschreibungen ein, bei denen ich in meiner engen und schweiß- und kussnassen Haut zittere. Ihr Tittenmonster bin ich, und ihr Bett-Billard, ihr Kugelfischlein und ihre Tschuktschen-Pamela, und noch ihr ängstliches Flüstern höre ich gern: Dass man uns nur als Fleisch ansähe, als atmende Sex-Puppen und wandelnde Silikon-Deponien… Denn wer uns so sähe, hätte doch nur geglotzt, und niemand außer uns selbst kann uns je dazu machen. Barbara selbst widerrief, Wochen nach dem grauenhaften Morgen unserer ersten Nacht, all diese Gedanken, am Telefon schweigend. „Es ist dein Anruf“, flüsterte endlich ich. „Es ist allein deine Rechnung!“ „Ja, weißt du… Simones Klasse fährt nächste Woche nach Prag. Und da wollte ich dich fragen… Lässt du es dir, nur ausnahmsweise mal für nur 50 machen?“ Ich schnappte nach Luft. „Dafür, dafür blase ich höchstens mal wen! Einen achtzehnjährigen Bodybuilder, wenn er gut aussieht…“ Wieder war es still, als hätte der Hörer einen Wackelkotakt bei der Batterie, als wäre ich wieder eingeschlafen. Und das musste es sein! Ich hatte doch nicht Tschernobyl und das rheinische Badehaus, die Ausgießung des Werbe-Schlamms und die Balgereien im Öl überlebt, um beim Berufsunfall einer Hure einzugehen! Verliebt in einen Freier, der eine sadistische Sozialamts-Bürokratin war, mit Ackerfurchen um die Mundwinkel und Schimmel am Haaransatz… Von einer verbrauchten Zigeunerin verhext, die die Bauch- und Brustschmerzen und die Besinnungslosigkeit der vergessenen Nacht auffrischte, indem sie gar nichts sagte… Meine Unterlippe zuckte wie das Maul einer Kuh bei Gewitter, und meine Clit stand groß und hart wie der Schwanz einer von Christen korrigierten antiken Statue. „Sofort bewegst du deinen Arsch zu mir, du ölige Schlampe mit den lächerlichen Titten“, hauchte Barbara. „Und dann werde ich dir wehtun wie noch niemand zuvor, wie noch keiner zuvor! Und ich werde damit einfach nicht aufhören, nie.“ Eigentlich hatte Barbara immer nur eine Freundin für das Leben etwas derber anfassen und leicht beißen wollen, aber wir wussten ja beide, wie so etwas meist verlaufen war. Mit zweiundvierzig Prozent aller Psychologie-Studenten hatte sie an der Universität eine Selbst-Therapie begonnen und war mit Ramona anstatt mit einem Diplom abgegangen. Als Bürokraft, an der Berufsschule und neben Simones Baby-Bett konnte sie der noch harmlosen Neigung nicht nachgeben, und wohl nicht einmal in Berlin hatte es vor der Wende Kennenlern-Bars für allein erziehende, werktätige und dominante Lesben gegeben. Die Hochzeit mit Betriebswohnung und „Wartburg“ war fast schon ein Glücksfall gewesen und… und… und… Und so fürchterlich Barbara ihre mittlere Laufbahn als Gouvernante fand, das Schwäbeln ihres Chefs und das Sächsisch der Pauschal-Urlauber, das Fernseh-Programm und den Weltimperialismus: erst als der Deckel der Bezirks-Hauptstadt angehoben worden war, hatten sich sogar dort die so lange erhofften Schwestern und Lämmchen gezeigt. „Darüber bin ich zur alten Sadistin geworden“, lachte Barbara die ganz unpolitische Schreckensgeschichte weg, „Aber nur halb Feministin, und Vegetarierin gar nicht… An diese Opfer der SED-Diktatur denke mal! Da hast du genug Trauerarbeit zu leisten!“ Ach, meine reife Jungfrau! Sie fühlte sich auf ihrem Thron aus Sanitär-Porzellan gar nicht wohl, und vielleicht erinnerte sie sich beim Herabsehen auf mich, wie alt ihr guter BH inzwischen war. Ihr noch nie auf einer Sonnenbank gebratenes Bäuchlein schwitzte unter meiner Hand, und die gut verpackten Rippen verrieten, dass ihre Töchter noch nie eine Diät gebraucht hatten. Wie konnte sie da entsprechend teuer einkaufen und aufwändig kochen? Sogar die Zeit für die letzten Kapitel ihrer Hexen- und Voodoo-Bücher fehlte ihr ja, und die dicke Ummalung machte ihre Augen immerhin geheimnisvoll, aber nicht gleich. Und vor dem nie disziplinierten Körper und dem nach links etwas schiefen Kinn kniete ich ohne Befehl und fragte nicht einmal nach der Rechnung, wie oft sie sich in den letzten achtzehn Jahren für so ein Wochenende frei gemacht hatte. Auf meiner Hand zwischen ihren Beinen sogen sich die tschuktschischen Fernglas-Pilze mit Barbaras Abwasser voll und sahen immer mehr wie sibirisch fette Würmer aus. „Vielleicht lassen wir es doch lieber“, fragte Barbara. „Wenn man dazu nun noch Alterszucker und irgendwelche exotischen Bakterien braucht? Hej, und ich kann doch nicht wissen, ob du nicht bloß lügst, dass wir zusammen alt werden werden!“ „Das sage ich dir noch vorher! Du wirst immer meine Pizza sein, und Frank ab und zu das Würstchen darauf. Und ich glaube nicht, dass es in der Sojus ausgerechnet exotische Bakterien gab!“ Ich holte zwei Mal tief Luft. „Auch auf die Gefahr hin, nie wieder einen Kuss von dir zu kriegen…“ Ich klappte den Kiefer weit herunter, schluckte das schleimige Wundermittel und hielt mir mit der Hand den Mund, mit Daumen und Zeigefinger die Nase zu. Als Erstes würde sich das Angesehene in etwas Dämonische verwandeln, und so musste ich beten, dass aus meiner Liebe nicht Angela Merkel wurde. Cleopatra, die Indio-Verräterin Malinche oder Pocahontas: das mochte gehen. Angelina Jolie sehr gerne! Oder Madonna oder Shakira, unplugged und ungefärbt! Zur Not noch ein weiblicher Buddha für ein chinesisches Sushi-Restaurant, einer dieser großen Kaffeeautomaten, die den Tasten nach auch Suppe kochen konnten oder eine Vertreterin der Hamburg-Mannheimer… Nur bitte, bitte nicht Angela Merkel! Allmählich verschmolz Barbaras Bleiche mit den Fliesen, und die dunklen Fugen umstanden mich als Gitter. Nichts sonst trennte mich noch vom Grund des Kolosseums, und ich umklammerte das Klobecken, in das ich die Teerklümpchen aus meiner Lunge abhusten wollte. Wenn ich nicht schnell in Top-Form kam, würde ich nicht nur meinen Titel als Champion der German Wet Wrestling Federation verlieren. Das Publikum hatte bereits meine besten Würfe und Sieger-Posen bejohlt, und nun atmete es bedrückt und gespannt, weil auf den großen Video-Wänden die schon von dieser Ankündigung schwitzende Herausforderin ankündigte: „I’ll kill you… You are dead, Tanya!“ Sie war so schwarz wie Cypress, nur anderthalb Mal so groß und vier Mal so schwer, und nie waren Wetten auf den Ausgang meines Kampfes sicherer zu platzieren gewesen. Da hatte ich die ökonomische Ursache für die Vor-Entscheidung der Leute, vor denen ich immer nur aufreizend getanzt, die ich aber nie wirklich befriedigt hatte: Mehr fiel dazu nicht einmal Lutz ein, und sagen hatte er mir das schon längst einmal wollen. „I'll die another day”, zirpte Madonna in das Oval der Arena, wie von mir bestellt. „It's not my time to go…” Die Käfig-Tür sprang automatisch auf, und weil ich mich nicht in die Gasse begab, die unter gehakte Stasi-Leute und Nazis in Wachschutz-Uniform für mich frei hielten, wurden die Gitter um mich heiß. Zumindest in den Kampf musste ich also gehen, wenn ich einen letzten Blick auf meine Freunde und Verwandten wollte, die Lutz sicher in der ersten Reihe am Ring festhalten ließ. „Another day, another day, another day…“ Als ich dort stand, kniff ich die Augen zu, ohne damit wirklich dem grellen Licht zu entkommen, und das Gewicht meiner Brüste beugte mir den Rücken. Dass meine Gegnerin auftrat, verriet mir das gemeinsame Stampfen der Zuschauer. „We are the champions”, sangen die 50.000 Queens und stießen nach der Vorgabe meiner Herausforderin die Füße auf den Boden. „We are the champions! No time for losers…” Da bog ich den Kopf nach hinten, und ich musste sogar grinsen, als ich sie aufstehen und die Futterluken bewegen sah, ihre rechten Unterarme schon hinter den Hosenbünden. Sie verstanden nicht einmal, dass sie mit dieser Zeile sich selbst verloren gaben: der von mir lebende Auto-Händler und der Herbst-Revolutionär, dem ich nie eine seiner Obdachlosen-Zeitungen abgekauft hatte, die Stammgäste der „Schinken-Bar“ wie die ökologischen Oster-Spaziergänger. Sie erwarteten ein mächtiges Gaudi und einen bescheidenen Gewinn, und obwohl hier unten alles für meine Hinrichtung vorbereitet war, trösteten sie sich auf die alte Weise, dass es schon nicht so schlimm werden würde. |
Ich war.
Die Verlobung Ich bin.
Jeremias Ich werde sein.
Silicon Plain |