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Die Kubanisch-Polnische RevolutionNoch in diesem Herbst löste sich das Geld-Problem. Vorübergehend. Jede ordentliche Kunsthochschule brauchte mehr Aktmodelle, als sie bekommen konnte, und Gundula versprach ihrem Dozenten ihre beste Freundin. Laila schüttelte in der Versteinerung ganz leicht den Kopf, aber 34 Mark für eine Stunde waren auch leicht hochzurechnen. Bei täglich zwei Stunden an allen fünf Tagen einer Woche wären wir für unsere Verhältnisse schwer reich geworden, durch weniger Körpereinsatz als bei der Messe. Gundula hob nach dieser Rechnung die Hände, aber Laila war schon darauf angesprungen. Auch die Hälfte würde noch ein gutes Gehalt sein, und an manchen Tagen sparte sie nach einer Einladung Mittagessen oder Kaffee. Sie versteinerte in den
Zeichensälen einfach, erzählte sie mir selbst, als müsse
sie in einer Taiga voller Wölfe einen feindlichen Posten
beobachten, und mit der Zeit wurde sie eine kleine
Berühmtheit, die auch die Dozenten buchen wollten,
allein und an extra zu bezahlenden Wochenenden. In einer
der landesweiten Kunstausstellungen hing sich Laila
einmal dreifach gegen-
Vor allem in der
Gewerkschaftszeitung "Tribüne" diskutierten die der
Wertungs-Punkte wegen nach Dresden gereisten Kollektive
der sozialis- Seitdem hasse ich das Wort
"Diskurs", denn in diesem viel, sogar im Westen
zitierten Artikel stimmte gar nichts. Fidel ist kein
Chromosom weniger mein Sohn als Yossif, und wir hatten
sehr hellsichtig, moralisch und wirtschaftlich
diskutiert und gemeinsam festgelegt, wie wir auf Lailas
Pillen-Allergie reagieren wollten. Wieder stellte sich
Lailas Körper auf seine vorüber- Die Drei-Zimmer-Wohnung
war Dimitris Geschenk zu Lailas fünfundzwanzig- "Weißt du noch", fragte mich Dimitri bei der Einweihungsfeier, und wir waren beide blau. "Die SS 20, damals? Ihr hättet euer Glück machen können, im Westen, mit dieser Information!" "Und deine Leute dort hätten mal wieder ein paar Schießscheiben gehabt, wie?" "Genosse... Werde ich meine beste Agentin erschießen?" Er erstickte mich erst in der Umarmung, dann mit einem feuchten Bruderkuß und flüsterte, wie aus Furcht vor den eigenen Wanzen, direkt in mein Ohr. "Ganz leicht hätte Laila Yasirowna euch rausbringen können, damals! Noch immer könnte sie das! Glaub es ruhig, Genosse!" Ich nickte, so sehr als Selbstverteidigung wie aus Überzeugung. "Ist doch ein gutes Land für Kinder, und ich habe einen prima Job..." "Die Akademie der Künste... Weiß ich doch!" "...der Wissenschaften", berichtigte ich ihn und schraubte eine neue Wodka-Flasche auf. Vierzehn Tage später flog
ich: aus der richtigen Akademie und aus politi- Eine Weile saß sie sehr still, für ihren Teint bleich, und dann preßte sie die Lippen aufeinander, um gegen das Lachen zu kämpfen. Sie verlor, hustete und lachte ziemlich verrückt. "Entschuldige! Nicht böse sein, Bert! Aber... Aber dich..., dich werden sie an keiner Kunstschule zeichnen wollen!" "Und als Bardame muß ich mich auch gar nicht erst vorstellen, ich weiß!" "Höchstens im Westen! Da gibt es ja Schwulen-Bars..." "Ja, alles gibt es im Westen", sagte ich giftig. "Und dein Josef Stalin mag das ja in Ordnung finden, aber mein Sohn heißt eben nach 'nem richtigen Revolutionär! Da..." Ich kam wieder zu mir, weil es
verdammt weh tat, wie Laila meinen Unter- "Hört auf", verlangte Laila barsch. "Und im Westen gibt es jede Menge Leute, die jede Menge Geld dafür bezahlen, daß man ihnen weh tut! Das war ein Spaß! Ein Unfall... Okay, karascho, bueno: es war gemein von mir." Ihr Reden half nicht, und ich mußte wie jede verprügelte Ehefrau aufstehen, die Kinder umarmen und ein kleine Ewigkeit flüstern, daß gar nichts schlimm war und Mama und Papa sich weiter gern hatten, wie vorher, ja noch mehr als vorher. Auch Yossif prügelte sich in seinem Kindergarten doch ab und zu mit seinem besten Freund. "Du hast mich in einem Witz unterbrochen", sendete ich ein Versöhnungssignal an Laila. "Im blödesten Witz, den ich mir denken kann!" "Und du trainierst das noch immer..." "Quatsch", sagte die kleine Totschlägerin und hockte sich zu uns verheulten Männern. "Ich trage bloß die Einkaufstaschen, bisher... Hej, wollen wir von unserem letzten Geld ein riesiges Eis essen gehen?" In der Nacht kam die Mittelohr-Entzündung zum Ausbruch, und wir trugen Fidel bis zum Krankenhaus, wo er auch noch ein Penizillin bekam, das er nicht vertrug. Das Fieber stieg, er schrie pausenlos, und wir hatten drei Tage lang richtige Sorgen. Das war die Art, wie uns Fidel fast noch als Baby half. |
Biographische Skizze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . |