Campus

Und dann war der Alptraum zu Ende. Ich hatte noch geträumt, in meinem heruntergekommenen Irrenhaus unter Palmen das gewohnte Kilo Haribo-Psycho-Pharmaka zu schlucken, aber geweckt wurde ich schon vom Rütteln eines Flugzeugs, von Wodka-Husten und russischer Begeisterung. Ich steckte in einer Felddienst-Uniform, und als ich mich vor den Genossen aufrichtete, bekam ich nur einen freundlichen Schlag zwischen die Schulterblätter. Nie konnte es eine solche Wende geben, nicht in Leipzig und nicht in Berlin, und wenn ich erst beim Rest meiner Singegruppe stand, würde ich vor der Bühne, in der ersten Reihe die scharfe Scharfschützin mit dem bleichen Gesicht im Trauerschleier der Haare sehen, Kapitan Laila Yasirowna. Durch's Gebirge, durch die Steppe zohoog... Als mir die Soldaten wieder die Wodka-Flasche hinhielten, konnte ich schon selbst danach greifen.

"Schlimm, was die hebräischen Schweinehunde mit dir gemacht haben", sagte ein Sommersprossiger.

"Bitte", mahnte der Offizier, der die Einlagen eines Aktenordners durchsah. "Wir stehen jetzt in einer Front mit ihnen!"

"Nur taktisch", versicherte mir ein asiatischer Soldat. "Aber eigentlich sind sie eher nett..."

Ich rauchte zwei, drei Zigaretten, kaute auf einem Streifen Dörrfleisch herum und trank ordnungsgemäß mit, bis ich mir doch noch einmal einen Haufen Zeltplanen zum Bett zusammenraffen mußte.

Was dann wie der Wecker schepperte, war das durch eine warme Nacht ausrollende Flugzeug, und die Genossen stellten mich auf die Füße, setzten mir mein Barett absichtsvoll schief auf und behängten meinen Gürtel mit runden Handgranaten. Die Kalaschnikow bekam ich wie ein Kindergarten-Kind die Brottasche umgehangen, und der Offizier salutierte, bevor er mich auf den Ausgang zu schob. Ich zielte mit dem Fuß nach der metallisch schimmernden Stufe, und der Zentner-Sack auf meinem Rücken warf mich in das Dunkel, in weichen Sand. Ich rappelte mich auf, aber ich sah nur das schneller werdende und endlich abhebende Flugzeug. Sterne sah ich freilich auch, mehr als jemals zuvor in meinem Leben, über einer absoluten Finsternis.

Um so heller war die Sonne, die von einem Augenblick zum anderen da war, und aus dem gleißenden Licht und einer gelben Sandwolke tauchte ebenso plötzlich ein gelber Jeep auf.

"Tom", fragte ein Unbekannter in einer Tropen-Uniform ohne Abzeichen.

Damit er mich nicht in der Wüste sitzen ließ, nickte ich, und ich bekam sogar meinen Zentner Ausrüstung hoch und auf die Ladefläche.

"Ich bin J.R.", sagte der Mann, während er mich auf den zweiten hinteren Sitz zog.

"Nein", sagte ich ihm auf Englisch. "Unmöglich..."

Er sah wie der Ausbilder und Schutzengel von Sylvester Stallone in "Rambo I" aus, und wir fuhren eine ganze Weile über Sandberge und durch Sandtäler, ohne an einem einzigen Bohrturm vorbei zu kommen.

"Russe", fragte J.R. "Deutscher? Israeli? Von uns?"

Ich grinste freundlich irre, und ich freute mich an der Dauer der Fahrt und am Fehlen von Flaschenzügen oder Kreuzen, an denen mich J.R. aufhängen konnte, um sich eine Information oder einen Orgasmus zu verschaffen. Die Alpträume gingen zwar weiter, aber ich konnte die rechte Hand um eine Handgranate krümmen, Sicherungsstift und Abzugsring ertasten. Wenn es mir wieder zuviel wurde oder J.R. Anstalten machte, meinen Fahrschein zu kontrollieren, konnte ich mich und alles um mich zerstäuben. Erst als der Jeep in der Dämmerung zwischen große gelbe Zelte rollte, reckte ich beide Arme über den Kopf.

"Okay, Tom! Vielleicht krepierst du ja bei der nächsten Übung, aber du bist schon mal weiter gekommen als ein Dutzend andere."

"Sir, danke, Sir!"

Ich stieg aus, zerrte mein Päckchen in den Sand, und knickte von einem Faustschlag um den Magen und dann in die Knie. Ich versuchte angestrengt, meine Atmung wieder in Gang zu bringen, und sah dann zu einer nicht besonders großen, weiblichen und kahl geschorenen Killermaschine auf. Ein Kniestoß gegen das Kinn warf mich rücklings hin, und sofort drückte mir das sexy Monster den Unterschenkel auf den Hals, riß meine Kalaschnikow hoch und stieß mir den Kolben in den Magen.

"Mädchen... Wenn du in zwei Wochen nicht konzentrierter bist, bist du an dieser Stelle tot!"

"Der Friede Gottes sei auch mit Ihnen, Lady", keuchte ich.

"Ich bin nicht weniger ein Sir als J.R., klar?"

"Sir, jawohl, Sir!"

Sie stieg von mir ab und streckte mir hilfreich die Hand entgegen, aber ich warf mich blitzschnell zur Seite und entging so ihrem Stiefeltritt nach meinem Unterleib.

"Kannst aufstehen", sagte sie. "Ehrlich, jetzt... Und das eben war gar nicht so schlecht. Für den Anfang..."

"Sir, wieviele Verrückte sind wir hier eigentlich, Sir?"

"Auch nicht schlecht! Nächste Frage?"

"Sir, wo sind wir hier überhaupt, Sir?"

"Weiter!"

"Sir, und warum, zum Teufel, sind wir hier, Sir?"

"Und? Brauchst du noch mehr Antworten?"

Ich spuckte einen kleinen Sumpf aus Blut und Sand aus und stellte mich ins preußische Stillgestanden. Die Lady Sir drehte sich um und verschwand zwischen den Zelten, und ich wartete ein bißchen ab, bevor ich im letzten Tageslicht meine Kalaschnikow hoch nahm, den Sand vom Schloß blies und beschloß, genau so vorzugehen, wie man mit mir umgegangen war. Ich entsicherte meine Braut, faßte mit der Linken die Liebesgrüße aus Moskau und schleifte sie vor das Zelt links von der Mitte der zweiten Reihe. Ich riß die lose Plane weg, drehte mich unter den Stoffhimmel und wackelte mit dem Lauf. Das mittlere Feldbett links gehörte mir, obwohl Lady Sir darauf hockte, nur noch in der Uniformhose und ein ärmelloses T-Shirt über den runden Brüsten. Neben mir klickten die Sicherungshebel an irgendwelchen Waffen, aber ich sah mich nicht danach um, sondern krümmte den Finger vor dem Abzug. Unkonzentriert wie die Killermaschine gewesen war, würde sie nun sterben müssen, wenn sie nicht noch Platz für mich machte. Ich verstand nicht, für welches Prinzip wir so etwas Bescheuertes taten, aber ich war mir sicher, das Prinzip richtig verstanden zu haben.

"Ruhig, ruhig", sagte Lady Sir. "Runter mit den Waffen, Mädchen!" Sie stand auf. "Daß du zwischen sechs Frauen schlafen wirst, stört dich nicht, Tom?" Sie fuhr in die Uniformjacke und nahm das Koppel mit der Pistolentasche hoch. "Und du kannst dir vorstellen, was dir hier passiert, falls du schlafwandelst?"

"Sir, jawohl, Sir!"

Biographische Skizze

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Kapitan Laila
Außerordentliche Komission
RSD 10
Unterkommen

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Yossif
Yunost
Kubanisch-Polnische Revolution
Laodse

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Sklaven-Marketing
Der Schleim
Musterung
Schwitzbäder
Die Grauen Grizzlys
Private Aufnahme

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IG Bettl und Brettl
Die Schwarze Göttin
Back on stage
Da unten
Und tiefer
Video Star

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Begutachtung
Campus
Samson

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Rushdie und die UCK
Internet
Safari
Circus Maximus

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Die Höhle der Wölfin
Auf der Flucht
Die Grotten von Gomorrha
Die Nordallianz

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