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Samson"Sir" und "Mädchen" waren die beiden einzigen Ränge, und daß sie uns in jedem Augenblick mangelnder Konzentration gnadenlos zusammenschlagen durften, war das einzige Privileg der Ausbilder. Im Mai 1994, als es den Überfallkommandos zum dritten Mal in Folge gelungen war, unseren wöchentlichen Wassertransport zu erobern und auslaufen zu lassen, bekamen auch sie nur noch ihren Anteil am gesammelten Urin. Freilich gab es ein Sprechfunkgerät, und das stand turnusgemäß im Frauen-Zelt, aber ich hatte den strikten Befehl, Samson zu erschießen, falls sie einen Notruf absetzen wollte. Daß ich das ohne Risiko tun durfte, war mir seit einem Vierteljahr klar. Damals waren wir mit Stops auf Militär-Stützpunkten ins Subtropische geflogen, damit die Kampfeinheit in einem Haus neben der Polizeiwache eine ganze Großfamilie vergewaltigen konnte: vom Urgroßvater angefangen bis zur vierzehnjährigen Enkelin hinunter. Vierzehn war nach der Dienstvorschrift die unterste Grenze bei Trainings-Missionen, und ich erfuhr nicht einmal, ob die Zielpersonen schwarz, weiß oder gelb gewesen waren. Hätte es Alarm gegeben, hätte ich die Wache mit Bazooka, Maschinengewehr und Flammenwerfer platt machen müssen, und auf dem Rückzug zum Hubschrauber zeigte mir Samson die Faust und den bis zum Ellenbogen blutigen Arm. "Soweit war ich in diesem Dorfschullehrer..." "Sir..." "Ein Typ in deinem Alter, mit deinen Augen", sagte Samson und wischte sich an meiner Jacke ab. "Und es ist ja nicht nur mein Bett! Die halbe Welt lacht sich seitdem über mich scheckig, du Arsch! Aber gut..." Sie drückte mir die Fingerkuppen gegen den Kehlkopf. "Es ist dein Grinsen, immer! Dein... Dein... Ach, Scheiße! Tom... Mach bloß nie einen Fehler, wenn ich in der Nähe bin!" Samsons eigener Befehl bot mir also die beste Gelegenheit, diesen blöden Streit ein für alle Mal beizulegen. Zwischen den Zelten gab es schon seit zwei Tagen keinen Kontakt mehr, und bei uns war außer Samson und mir logischer weise nur noch Jenny bei Bewußtsein. Sie war einmal mit weißem Gürtel zur Weltmeisterschaft im Vollkontakt-Karate geschickt worden und war mit gesplitterter Speiche, gebrochenem Unterkiefer und dem Vize-Titel zurückgekommen. "Tom, Samson... Alle krepieren sonst! "Nein, nein", flüsterte Samson zurück. Sie war auf dem Weg zum Funkgerät umgefallen und dann nur noch auf den Rücken gekommen. "Nicht du, und nicht Tom... Nicht zwei von sechs... Und damit gewinnen wir, Mädchen! Macht fünf Orden für mich, postum..." Sie was ausgedörrt wie eine Heuschrecke, und als sich an ihrem kahlen Schädel die Augen schlossen, sah das bereits wie für immer aus. Die kleine Killermaschine verglühte, das sexy Monster ging ein, ohne Zweifel. Also faßte ich mit der Linken das Mikrophon, mit der Rechten die Pistole fester und ließ mich nach vorn vom Bett, über Samson kippen. "Ruf sie an, du..." "Aber dann wirst du mich erschießen...." "Das mache ich", versprach ich. "Wenn die andern gerettet sind..." Es dauerte vier, fünf Atemzüge, bis Samson genug Luft hatte, um ihren Code zu flüstern, und dann bestellte sie uns ohne Ende Wasser, Cabernet Sauvignon, Cola, Mokka, Caipirinha und Champagner. Mit jeder nur denkbaren Flüssigkeit ertränkte sie uns nun, während sie ihr Leben aushauchte und mir dabei in die Augen starrte. So gut das hier draußen und zwischen Sir und Mädchen ging, war sie in mich verliebt, und das wollte sie vor der Begegnung mit der Kugel noch loswerden. Umgekehrt hieß das wohl, daß wir als Todfeinde weiterleben würden, wenn ich die Pistole nicht mehr an ihre Schläfe bekam. "Tom", befahl Samson und bettelte als die jüngere Frau. "Bert..." Wenn ich mir in den Kopf schoß, fiel mir ein, würde ich wenigstens zu einem Liter in sie verbluten, und dann hatte sie eigentlich eine gute Chance, bis zum Eintreffen der Retter durchzuhalten. Ich schob mir den Pistolenlauf in den Mund, drückte die Mündung gegen das Gaumendach und bewegte den knirschenden Zeigefinger. Drei Tage später erklärte Samson uns auf Französisch das amerikanische Aktienrecht, J.R. verglich uns die amerikanische Bibel mit den biblischen Geschichten im originalen Koran, und im folgenden Monat flogen wir als israelische Volkstanzgruppe nach Larnaka auf Zypern, um dort als russische Mafia-Gang ein Hotel zu besetzen und Pässe und Kreditenkarten aus aller Kapitalisten Länder zu erbeuten. Wie man fälschungssichere Papiere benutzen konnte, lehrte uns der Besitzer eines mit Technik vollgestopften Kühl-Lasters, der wenig später zwischen unsere Zelte rollte. Der Mann nannte sich Krähe und redete wie niemand von uns über sein Woher, aber er trank wie sein damaliger Präsident, und als Jelzin Jahre später in seine gepolsterte Ausnüchterungszelle kam, mußte ich sehr lange sehr genau die Nachrichten sehen, um den Neuen als Krähes Zwillingsbruder oder zufälligen Doppelgänger zu unterscheiden. Als eines der Mädchen aus J.R.'s Zelt sein Prüfungs-Attentat auf einen japanischen Wirtschaftsboss versaute und für CNN live von einem Hochhaus in Atlanta sprang, räumte ich ohne ein Wort Samsons Bett, und weil wir uns außerhalb der Lektionen konsequent aus dem Weg ging, konnten wir uns sogar gegenseitig am Leben lassen. |
Biographische Skizze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . |