Da unten

Meine Daten, ein nur im Unwesentlichen frisierter Fragebogen und eine im Regierungs-Krankenhaus versiegelte Blutprobe, waren schon in der Bearbeitung des Staatsschutzes. Die Beamten würden das für eine etwas umständliche Vorbereitung auf ein paar Schälchen Tee halten, nahm ich an, weil auch ich das für übertrieben hielt, und mir sagte "Operation Parallelogramm" immerhin etwas. Sie sollte in einem der am höchsten stehenden Ehebetten Deutschlands vollzogen werden.

"Ich will sie, und sie suchte ein Geburtstagsgeschenk für ihren Mann", war die Erklärung meiner Göttin. "Aber vorher würde ich dich schon, gern sogar, für ein oder zwei Wochen mit zu meiner Großtante nehmen. Niemand in der Familie hatte bisher einen weißen Sklaven, nämlich."

"Ihr seid die Göttin, der Sklave ist nichts", bekannte ich wie gewohnt und versuchte, mich tiefer zu ducken. "Das Zu Hause Eures Sklaven ist die Bühne dieses miesen Puffs..."

"Ja, und ich kaufe dir kein anderes, nie", sagte Therese haushälterisch und zündete ihren Joint an. "Okay, es kann ja nicht schaden, wenn du noch schnell ein paar Erfahrungen sammelst. Dein bayerischer Sir, die sklavischen Quickies und die Bühnenshow sind im Grunde ja nur drei, und das kann ich dem... also Herrn Y schlecht zumuten."

 Wie sehr der Staatsschutz und ich uns geirrt hatten und wie wenig vorausschauend sogar eine Göttin sein konnte, begriff ich erst anderthalb Wochen später und mit zwei Zuschauer-Betten Verspätung. Was die Medien als beginnenden Völkermord meldeten, da unten in Afrika, war schließlich der genau gezielte Angriff einer separatistischen Miliz und der nationalen Luftwaffe auf die Geburtstagsfeier der Mutter des Präsidenten gewesen. Auch der Außerordentliche und Bevollmächtigte Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland gehörte zu denen, denen die Vereinigte Front für Würde und Freiheit Grillscheiben aus den Körpern geschnitten hatte. Außerdem waren freie und geheime Wahlen angesetzt, die ausländischen Besitztitel an den Diamantgruben garantiert und Angola und Kongo der Krieg erklärt worden. Die anderthalb Wochen, in denen die Bilder der Opfer die vorderen Seiten aller Zeitungen füllten, kaufte ich diese Zeitungen auch, und im "Pranger II" begannen die Serviererinnen, der Laufkundschaft den heißesten Freak des Ensembles zu empfehlen. Der eher harmlos vorgeführte Sklave war für genug Whisky und den ungehinderten Blick auf "n-tv" zu jedem Extra bereit: safe selbstverständlich, aber absolut tabulos.

"Laß das doch mich machen", sagte Frank, mein Bühnenpartner, eines Abends, als ich ihm das finale Folter-Werkzeug kundiger, vielleicht auch versonnen vorbereitete.

"Wieso? War das nicht...?"

Frank lachte.

"Ach so, nein! Ich meine: wenn du richtige Kerle suchst, dann solltest du sie dir von mir besorgen lassen. Die Mädels und die Gaffer... Das ist doch nichts für jemanden wie dich!"

Um ihn zu irritieren und von seinem Sockel zu holen, beugte ich mich vor und leckte zum ersten Mal kurz um das Teil, das er mir seit Monaten fast jede Nacht verpaßte.

"Was bin ich denn für einer?"

Frank legte mir die Hand auf den Hinterkopf und drängte mich noch mal zu dieser Dienstleistung."

"Ein Wort dafür habe ich nicht... Aber ich würde es dir gern mal zeigen..."

"Ich eigentlich auch", sagte die Henkerin ziemlich nahe, und die Latex-Lesben zischelten und kicherten.

Noch bevor er mich auf die Bühne abführte, bestellte mir Frank einen doppelten Whisky, und erst zwischen Boden- und Deckenhaken und dann in den Pranger gespannt mußte ich mir schon einmal gefallen lassen, daß seine Finger um meine Nippel, seine Peitsche gegen meinen Rücken und sein Eindringling in den Hintereingang voll derber Vorfreude waren. Daß ich danach auf ein Bier weg konnte, hatte die Henkerin mit dem Geschäftsführer klar gemacht, und Frank ließ das Halsband an mir, setzte mir seine, mir zu kleine Ledermütze auf und nahm mir das T-Shirt weg. Um diese Zeit und für den Weg in den Keller würde blanke Haut unter der Lederweste die bürgerliche Jeans schon aufwiegen, witzelte Frank und wickelte das Ende der Führ-Kette um die Faust.

Tatsächlich mußte ich eine halbe Stunde in der Kriegslandschaft aus Tarnnetzen, Zeltplanen und Rauchschwaden herumstehen, nur den halben Bildschirm mit einer kalifornischen Orgie vor Augen. Niemand redete ein Wort mit mir und niemand starrte mich an, und ich ließ meinen Blick zwischen Männern herum flattern, die alle konsequenter verkleidet und entweder Modells für Fitness-Center oder Gütekontrolleure in der Brauerei waren. Dieser Club war nicht meine Welt, das Schaustehen bestimmt nicht mein neues Hobby und die Klientel mit zu vielen bunten Tüchern geschmückt, egal ob nun rechts oder links. Der Betrieb auf der Kellertreppe war nur mäßig, und ich war mir sicher, daß ich das Reden und Feilschen, das Hotel- oder Ehebett mit den Gästen des "Pranger II" auch künftig der Romantik eines Darkrooms vorziehen würde.

Frank suchte derweil wirklich nicht nach einem Wort für mich. Er kam endlich mit vier Schwergewichts-Bikern aus dem Hoch-Parterre herunter, gab einem als eine Art Vorstellung meine Kette in die Pranke und neigte für mich den Kopf in Richtung Unterwelt. Unwohl war mir schon, aber das Quartett war sichtlich, fühl- und spürbar ein Ersatz für die Masse und Härte meine schwarze Göttin, wollte mich runter und fertig machen und ließ mich schlaff und müde im Sling zurück, zur weiteren Verwendung.

Als das trübe Licht anging, sammelte Frank meine Sachen ein, und er bot mir sein Auto und seine Couch an, nahm mich am Abend zur Arbeit und danach in einen neuen Keller mit. Er kannte die Leder-Bars, Skin-Bunker und Bären-Höhlen zwischen Hamburg und München, und weder hatten wir allzu viele freie Tage noch wußte ich mit denen etwas besseres anzufangen, als mich von Frank mit Bier abfüllen und herum fahren zu lassen. Irgendwo nannten ihn zuerst andere meinen Coach, und irgendwann zeigte er mir ein Flugblatt mit einem nie gemachten Foto von mir: Mister Gang Bang Contest Köln.

"Und was bedeutet das?"

"Na, daß wir daran teilnehmen werden", sagte Frank. "Eine echt amerikanische Sportart mit etwa hundert Teilnehmern."

"Dann wird ja nicht weiter auffallen, wenn ich fehle", sagte ich und gähnte. "Ich glaube, ich weiß jetzt, wofür du mich hältst, und ich bin müde."

Frank lachte. "Und was meinst du, warum du auf dem Werbezettel zu sehen bist?"

"Sicher ein Zufall..."

"Und warum wohl nennen mich alle deinen Coach?"

Ich behielt die Hand vor den Augen und schielte durch die Finger auf den Zettel.

"Coach, du glaubst doch nicht etwa..."

"Du bist bei dem Spiel eins von drei Toren, sozusagen. Oder wie viele so Verrückte gibt es hier, glaubst du?"

Eine Woche lang fing er immer wieder mit Witzen zu diesem Wettbewerb an, er erzählte in der Garderobe davon und brachte den Geschäftsführer dazu, einen Tausender auf meinen Sieg zu setzen, was mich ja schlicht zur Teilnahme erpreßte.

Ich wurde Zweiter, unterschrieb einen Vertrag zur Vermarktung des Videos und ließ mich von einem der Schiedsrichter nach Hause fahren. Mein Coach war gefeuert, mein Bedarf an Kerlen für Jahre gedeckt, und gegen meinen Suff würde ich auch etwas tun müssen. Breitbeinig wie nach einem Ritt durch den Great Salt Lake tappte ich in mein Zimmer, um mitten auf meinem Bett einen Berg afrikanisch bunten Folklore-Stoffs zu entdecken. Er brauchte zwei Drittel des Platzes, hob und senkte sich zu rasselnden Atemzügen und roch unverkennbar nach dem Schweiß meiner Göttin.

Biographische Skizze

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Kapitan Laila
Außerordentliche Komission
RSD 10
Unterkommen

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Yossif
Yunost
Kubanisch-Polnische Revolution
Laodse

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Sklaven-Marketing
Der Schleim
Musterung
Schwitzbäder
Die Grauen Grizzlys
Private Aufnahme

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IG Bettl und Brettl
Die Schwarze Göttin
Back on stage
Da unten
Und tiefer
Video Star

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Begutachtung
Campus
Samson

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Rushdie und die UCK
Internet
Safari
Circus Maximus

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Die Höhle der Wölfin
Auf der Flucht
Die Grotten von Gomorrha
Die Nordallianz

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