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Es war eine einfache, aber scheußliche Sache. Ich sah über die Straße hinweg zu, wie sich Samson zu den Autofenstern beugte, die Fahrer ansah und ihr Lederjäckchen aufklappte, und bevor sie einstieg, warf sie mit einem Ruck des Kopfes die Haarfahne der Perücke hinter die Schulter. Sie wußte ja, wo ich stand, und wollte, daß ich einen vorwurfsvollen Blick fühlte. Fünf Mal wurde sie in der ersten Nacht handelseinig, und auch der nächste Nachmittag war kein bißchen besser. Samson gab mir den Befehl, mit ihr in eine Boutique zu gehen, wo sie mir von ihrem Nebenverdienst eine harte, gebraucht aussehende Motorrad-Jacke kaufte.

"Dein Sterbehemd übrigens", flüsterte sie, während sie wie verliebt in die Jacke kroch. "Wenn er überlebt... Nein, auch wenn er nicht sofort tot ist, dann wirst du ganz brav mit mir nach Schweden fahren. Und dort bist du dran... Versprochen?"

"Wir hätten auch eine Aktennotiz machen können... Aber wie du willst: ich werde dir nie, auch dann nicht davonlaufen."

Gegen elf kam der silberne Mercedes sehr langsam vorgefahren, im leichten Regen feierlich glänzend, und während das Verdeck zurückfuhr, drückten sich die nicht freischaffenden Huren in die Schatten der Baumstämme. Samson wich so zurück, daß der Freiheitskämpfer sich auf ihre Verfolgung einstellen mußte und sich nicht umsah, und ich war froh, als er ein Schmetterlingsmesser aus der Jackentasche holte und ein bißchen damit herumfuchtelte. Angst konnte er damit vielleicht dem serbischen Geheimdienst machen. Mir half er damit bei meinem ersten Mord, und nach dem aufgesetzten Kontrollschuß schob ich noch die Eierhandgranate, die ich für ein Gefecht mit seiner Leibwache eingesteckt hatte, vorn in die feine Anzughose. Deshalb mußten wir rennen, und wir rannten ein Stück auf den Fluß zu, wo das Operation Center den in Holland zugelassenen BMW mit der Wechsel-Wäsche geparkt hatte. Auf einem Autobahn-Parkplatz zogen wir uns um, dann fuhren wir wieder in die Stadt und stellten den Fluchtwagen in einem Parkhaus im Zentrum ab. Eine scheußliche, aber einfache Sache eben.

Am nächsten Nachmittag flogen wir nach Stockholm, wo wir unter anderen Namen für ein Hotelzimmer angemeldet waren, und am Morgen mieteten wir ein Auto für eine Überlandfahrt. Samson kannte einen Zeltplatz an einem Lachs-Fluß, und im Grunde war es ja auch nicht die von den Dienstvorschriften und ihrem persönlichem Schwur verbotene Liebe zwischen Wölfin und Wolf. Für den Raub und die Rückgabe ihres Feldbettes, für die Lebensrettung und ihre schlimmste Demütigung war ich vierfach zur Höchststrafe verurteilt, und der Sex mit dem tödlichen Muskelpaket hatte sehr viel von einer Olympiade und ein bißchen etwas von einer Hinrichtung.

"Am besten hat mir die Handgranate gefallen", flüsterte mir Samson noch in der lockersten Nacht. "Die war doch ein Symbol, nicht? Verdammt blutige Blutrache..."

Am nächsten Tag fuhren wir in die Stadt und suchten uns ein Internet-Café, wo mich Samson am anderen Ende des Raumes sehen wollte. Wer die Operation über welche Mailbox bestellte, erfuhr ich nie, und noch unter die Männerdusche auf dem Campingplatz ließ sich Samson wie immer schmuggeln. Bei ihren Schultern und ihrer Frisur war das ja kein Problem. Nur bei den drei, vier Schritten zwischen Garderoben-Bank und mittlerer Kabine hätte ganz Schweden sehen können, was mich verrückt machte, die für ihren Job unpraktisch weiblichen Brüste. Ich verriegelte die Tür hinter uns, und damit hatten wir alles, was wir brauchten: Ruhe, Wasser und uns. An diesem Abend aber war das Losrauschen des Wassers das Signal, daß mich Samson am Kehlkopf packen und halb in die Knie zwingen konnte.

"Den israelischen Ministerpräsidenten erschießen", flüsterte mir Samson ins Ohr. "Wäre das was für dich?"

Ich verdrehte ablehnend die Augen.

"Aber du bist..., du warst doch ein Deutscher?"

Mühsam bekam ich die Hand hoch, und ich tippte an ihre Stirn.

"Na, gut... Ich werde den Typen wahrscheinlich auch opfern müssen." Samson ließ mich los und griff nach dem Duschgel. "Und dich, dich müßte ich morgen beim Lachs-Angeln ersäufen... Scheiße!"

"Ich glaube, das ist ein guter Mann", versuchte ich trotz der Drohung, Rabin zu retten.

"Gleich werde ich es machen! Ein Wort noch, und ich tue es!"

"Mache es", sagte ich. "Aber überlege mal..."

Am nächsten Vormittag fuhren wir zum McDonald's-Frühstück, und im Internet-Café mußte ich eine halbe Stunde lang Schwedinnen ansehen, bevor Samson genug auf der Tastatur geklappert hatte, um mir Schwarzafrika präsentieren zu können. In irgendeinem der kleineren Kriege mußte sich unsere Gruppe für den Fall der Fälle genug Platz für die Zelte und ein Rollbahn erobern.

"Ein kleines Land mit einer kleinen Armee", wünschte ich mir. "Viel Öl und lange weiße Sandstrände."

"Also... Wenn es dir nichts ausmacht, eigentlich für Nigeria zu kämpfen", sagte Samson. "Mit ein bißchen Guinea drin..."

"Besser als mit dir Lachse angeln zu müssen, nicht?"

Samson nickte und begann sofort, eine Flugroute zu erkunden und die Flüge zu buchen. Ich mußte einen Tag auf den Kanaren bummeln, um dann in Lagos ohne Stress unseren zwischenlandenden Hubschrauber zu erreichen. Daß Samson den Trip gleich von ihrem Verfügungskonto bezahlte, war so wenig eine Wohltat wie unser Besuch im Bären-, Wölfe- und Vielfraß-Park am Südhang des Ski-Bergs oder die Kapitänskajüte auf dem Stockholmer Hotel-Schiff. Wir durften den Mietwagen nicht zu früh zurückgeben, und ich war als ihr Beischläfer und Zeuge ihrer Schwäche ein Sicherheitsrisiko, das sie nicht mehr aus den Augen lassen durfte. Am Aussichtspunkt in der Stockholmer Südvorstadt vergaß ich einen Kuß lang das Fundament unserer Beziehung, und sofort hatte ich schmerzhaft Samsons Knie zwischen den Beinen und das Geländer als Drehpunkt im Kreuz. Nur an den Kanten der Outdoor-Weste hielt sie mich dreißig Meter über der Stadtautobahn fest.

"Das ist die Scheidung, kleiner Bert!"

Ich krallte die Finger in ihre Bluse aus Gott sei Dank derbem Stoff, entschlossen, frühestens einen Meter über dem Asphalt loszulassen.

"Ein Grinsen, ein Zwinkern nur, selbst in zehn Jahren, und du bist tot! Und ein Anruf, da unten, beim Zimmerservice nur, und du bist auch tot."

"Oder wenn der Stoff reißt, ja!"

"Weil... Auch wenn du dich ganz allein gefühlt hast, im Pranger, als Vize-Mister oder als Vierfüßler, hat dieser Eindruck getrogen..."

"Du meinst..."

"Und wenn du noch einmal so dämlich fragst, bist du auch tot!"

Samson holte mich ins Leben zurück, wir fuhren im Stadtteil-Lift nach unten, und auf dem Schiff befahl sie mich noch einmal aus dem Slip, versprach zwei der sündhaft teuren Biere und kam nicht mehr aus dem Bordrestaurant zurück.

Biographische Skizze

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Kapitan Laila
Außerordentliche Komission
RSD 10
Unterkommen

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Yossif
Yunost
Kubanisch-Polnische Revolution
Laodse

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Sklaven-Marketing
Der Schleim
Musterung
Schwitzbäder
Die Grauen Grizzlys
Private Aufnahme

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IG Bettl und Brettl
Die Schwarze Göttin
Back on stage
Da unten
Und tiefer
Video Star

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Begutachtung
Campus
Samson

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Rushdie und die UCK
Internet
Safari
Circus Maximus

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Die Höhle der Wölfin
Auf der Flucht
Die Grotten von Gomorrha
Die Nordallianz

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