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IG Betll und BrettlDen Job hatte mir Andreas vermittelt, über Szene- und politische Kanäle, und ich kam mit den Kollegen auch nicht schlecht zurecht. Die Stasi-Überprüfung, versicherte mein Chef, konnte warten, bis der Streik in der Druckindustrie und die Tarifrunde für Handel, Banken und Versicherungen vorbei waren. Bis dahin wurde auch die schmutzigste Hand gebraucht, und danach würde mich mit Sicherheit nicht einmal die radikalste Feministin aus meinem Büro hinaus säubern wollen. Er lachte. "Mit Staatssicherheit nicht, sozusagen." Es war ein seit Jahren einstaubendes Büro, aber die ÖTV-Sekretärinnen halfen mir beim Saubermachen, schenkten mir die Kaffeemaschine aus der Zentrale des letzten großen Müllfahrer-Streiks und stellten mir endlich einen Kartei-Kasten hin, den sie selbst nur auf Anweisung hin und mit spitzen Fingern berührten. Siebzehn Kolleginnen Prostituierte gab es im Gewerkschaftsbezirk, angeführt von einer maoistischen Domina, die monatlich einmal auf die Gründung eines eigenen Verbandes drängte: auch für Sklavias offen, selbstverständlich. "Die maoistische Domina Dora", wiederholte "Du Wurm! Du wagst es, mich zu stören", kreischte es im Hörer. "Kniest du wenigstens vor der Stimme deiner Herrin? Nackt und zitternd?" "Der Deutsche Gewerkschaftsverbund wird höchstens vor einem SPD-Kanzler auf die Knie fallen", sagte ich klassenkämpferisch. "Rot Backe, Kollegin Dora!" Sie schnaufte. "DGB? Ihr Schlappschwänze habt doch nicht etwa..." "Doch, wir..., also unsere Bonzen wollen... Wir beide sollen diesen Verein gründen, Kollegin." "Okay, dann komme doch einfach mal vorbei!" "Wir können uns nicht hier oder in einem Café treffen", erkundigte ich mich vorsichtig. Schließlich hatte ich mit meinem Vorleben abgeschlossen und brauchte nach dieser nur noch die IG Virenprogrammierer zu gründen, um kurz vor der Rente Sozialminister des nächsten regierenden Sozialdemokraten zu werden. "Bonze", sagte Dora fast so verächtlich wie zu Anfang. "Bloß nicht den Werktätigen zu nahe kommen, wie?" Schon als wir uns in einem Kölsch-Garten am Rhein trafen, bereute ich meine Skrupel. Natürlich war eine richtige Maoistin inzwischen nicht mehr jung, aber Dora kam in der in China längst aus der Mode gekommenen Partei-Uniform, war ungeschminkt und ihre Dominanz strahlte vom großen Stern auf ihrer Mütze her. Sie knechtete das Kölner Management offenbar außer mit ihrem auch mit dem ganzen Gewicht der Großen Chinesischen Kulturrevolution und des ganzen Staatsvolkes der Volksrepublik. Daß ich nicht zu ihrem Kundenkreis gehörte und noch nicht in das Gewerkschaftsmanagement eingepaßt war, witterte Dora, und von da an war sie vierzehn Tage lang immer wieder meine Fahrerin, Stadtführerin, Dolmetscherin und Leibwache. So lange dauerte es, weil wir die organisationswilligen Kolleginnen zu den unmöglichsten Zeiten aufsuchen mußten, zwischen Doras und ihren Terminen, in Wohnungsbordellen, an den Hintertüren von Clubs und auf dem Straßenstrich. Ich nannte sie Genossin Große Vorsitzende, was ihr gefiel, aber sie lud mich nie wieder an ihren Arbeitsplatz ein, und sie wurde stinksauer, als bei einer Adresse auf meiner Karteikarte ihre eigene türkische Extrem-Sklavia die Tür aufklinkte. Davon abgesehen, daß ich nicht wußte und mir im ganzen Gewerkschaftshaus niemand sagen konnte, wie man eine gegen unbestreitbare Ausbeuter kämpferische Gewerkschaft aufbaute, war es ein Traum-Job. Ich hatte einen für meine Autonummer reservierten Parkplatz, konnte ab 9.00 Uhr einen dicken Pressespiegel lesen und bis in den frühen Nachmittag an einem recht modernen Computer üben, bevor der noch bessere Teil meiner Arbeit begann. Beinahe illegal, also jedes Mal in einem anderen Café, traf ich mich mit meinen Mitgliedern, zu zweit oder in Vierergruppen, und die Kolleginnen genossen es, jemanden anrufen zu können, wenn sie heulen oder quatschen oder nicht allein einkaufen gehen wollten. Nach anderthalb Monaten hatte ich Microsoft's Word soweit im Griff, daß ich beginnen konnte, einen Werbezettel zu texten und zu setzen, und durch die Propaganda der anderen hatten wir bis dahin einen alternden Callboy als Mitglied und vier interessierte Sympathisantinnen gewonnen. Manchmal, wenn es spät geworden war, durfte ich auch auf dem privaten Sofa einer meiner Verdammten der Erde schlafen, und dann kam es schon gelegentlich vor daß wir statt Sex für Geld zu handeln Sex gegen Solidarität tauschten. Auch wenn Dora daran erinnerte, daß Fidel, Raul, Camilo, Che und die anderen nur zwölf gegen das Kuba des Diktators gewesen waren, hielt ich uns selbst zu Anfang des zweiten Monats noch für zu wenige, um den Kampf für Tarifverträge zu eröffnen. Mein Chef gab mir zwar prinzipiell recht, aber er gab mir auch zu bedenken, daß wir nicht in den Kolleginnen drin steckten und nicht sie für uns, sondern wir für sie da waren. Während sie mich noch mit romantischen Revolutionsgeschichten beschwor, hatte sie ihm und dem Großen Chef schon mit der Abspaltung der RHGO, einer Revolutionären Huren Gewerkschafts Opposition, von der noch gar nicht formell gegründeten Industriegewerkschaft gedroht. Eine halbe Stunde nach dem Beginn der Beratung, zu der nur Dora, ihre Extrem-Sklavia, der Callboy und eine drogenabhängige Sympathisantin gekommen waren, flog die Tür zur Kneipe so auf, daß ich nicht eine Sekunde an das Eintreffen unserer Mitglieder oder internationaler Gäste-Delegationen glaubte. Vier Haute-Couture-Zuhälter hatten acht Schläger in Leder mitgebracht, und sie blieben gleich am Eingang des Hinterzimmers stehen und lachten. "Dora natürlich", sagte der, der Dieter Bohlen ähnlich sah. "Polieren wir dem Schwulen die Fresse", schlug einer der Männer fürs Grobe vor, "und bürsten wir die Türkin..." "Verpißt Euch, ihr verseuchten Kapitalisten-Schweine", kreischte Dora und holte ein Schmetterlings-Messer aus der Partei-Uniform. "Ihr könnt uns umbringen, aber zwei, drei von euren Schwänzchen nehme ich mit in die Hölle!" "Keine Gewalt", sagte ich, und vor langer Zeit und an einem ganz anderen Ort war das ja eine nicht wenig erfolglose Formel gewesen. "Chemie, Bergbau, Metall... Keine Branche ist an ihren Gewerkschaften kaputt gegangen, nicht? Sogar eine Polizeigewerkschaft gibt es! Also warum..." "Nein, den nehmen wir", sagte der Sprecher der Arbeitgeber. "Den nehmen wir mit! Aber ohne bleibende Spuren bitte, wie es bei der Genossin Dora immer heißt." "Was hast du mit ihm vor, du Wichser", kreischte Dora, klappte aber schon mal das Messer zu. "Die rote Sau knebeln wir, und dann kommt sie an den Pranger im "Pranger". Dort kriegt sie umsonst, was man bei dir noch teuerer bezahlen soll, und das sollte auch euch zum Thema Tarife genügen... Handschellen für unseren Bühnenstar bitte!" Ich machte es den beiden abgesandten Wanderschränken so einfach wie möglich, mir die Arme hinter dem Rücken zu fesseln, und so ging die Versammlung doch noch friedlich und freundlich zu Ende. Ich durfte zum ersten Mal in einer Stretch-Limousine fahren und erfuhr dabei, daß in diesem SM-Club freitags sowieso Amateure auf die Bühnen durften. Für mich freilich würde sich ein Meister der Peitsche finden, und damit ich am Abend keine Schwierigkeiten machte, zeigten sie mir schon mal den Pranger und wollten mich noch im Kreis des ganzen Einsatzkommandos nackt haben. Ich durfte einen Lederbeutel über mein Geschlecht ziehen, bevor ich die Handschelle, ein Hundehalsband und schließlich eine kleine Kammer hinter der Künstler-Garderobe bekam. |
Biographische Skizze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . |