Rushdie und UCK

Ich hatte mich für die Einsatzplanung und -kontrolle gemeldet. Die Ausbildung dafür war dieselbe, und wahrscheinlich war auch da die Abschlußprüfung etwas mehr als eine kleine Börsenspekulation. Allerdings meldete sich kein normaler Mensch, der auch im "Operations Center" die Kaffeemaschine bedienen konnte, freiwillig zur "Killer Brigade", und das Timing im OC wäre mir entgegen gekommen. Ich sah mich nun einmal lieber in fremden Städten um, anstatt für eine nasse Sache aus der Wüste her einzuschweben und nur eine Stunde später mit dem nächsten Hubschrauber wieder in die Wüste zu fliehen.

Wir durften über unsere Wahl nicht reden, aber es hätte mich gar nicht überrascht, als einziger zur Kopfwäsche in das Stabszelt gebrüllt zu werden. Es war Samsons Kommandowoche und Mittags, und ich mußte auf dem Bauch hin kriechen, obwohl wir fast nackt unter dem Vorzelt hockten.

"Salman Rushdie zum Beispiel", sagte Samson, als ich vor ihr das Männchen machte. "Wenn wir uns nun den Scheck von Ayatollah Khomeini verdienen wollten... Wie würdest du da vorgehen?"

"Sir..." Ich spuckte ein bißchen Sand aus. "Salman Rushdie ist doch kein Terrorist, Sir!"

"Nein?"

"Der ist ein prima Schriftsteller und nun wirklich das Gegenteil von..."

"Das Gegenteil der Terroristen sind wir", sagte Samson, blieb hinter dem Feld-Tisch stehen und kritzelte in meiner Akte. "Und das war der Beweis: du sollst ein Attentat planen und fängst eine Diskussion über Literatur an! Und deshalb kommst du zu denen, die in London den Tunnel über der U-Bahn sprengen werden, in der Salman Rushdie sitzt. Noch Fragen?"

"Sir, nein, Sir", knurrte ich und deutete ein Hackenknallen an. "Außer: was ist mit den anderen Leuten in der U-Bahn?"

Samson schüttelte den Kopf, grinste aber und das nicht einmal böse. "Du weißt doch genau, Tom, daß das nur ein Beispiel war! Ein theoretisches..."

"Sir, jawohl, Sir!"

"Wir wissen ganz genau, wann dieser kleiner Inder mit welchem Doppelstock-Bus wohin fährt..." Samson setzte sich in ihren Regiestuhl, machte die Beine und den ganzen Körper steif und zeigte mir den gereckten rechten Mittelfinger. "Wir wissen bloß nicht, ob Khomeinis Scheck noch gedeckt ist..."

Samson ließ mir Zeit für irgendeine Antwort, aber ich kam wieder nicht darauf, was sie eigentlich hören wollte. In seinen Sir verliebte man sich nicht, zumal Samson die kalt rechnende Mörderin wahrscheinlich nicht nur spielte, und wenn es passiert war, redete man zumindest nicht davon. Sie würde mein Stammeln in der nächsten Sekunde durch das Lager trompeten, nahm ich an, und als Vorbereitung auf eine Liebesnacht würde ich auf den Knien zum Kondom-Automaten nach Casablanca kriechen müssen, falls wir irgendwo in der West-Sahara campten. Ich würde es auch müssen, wenn wir in der östlichen Sahara oder in der Wüste Gobi steckten, korrigierte Samsons kalter Blick meinen ausgelesenen Gedanken. Dann winkte sie mich mit einer knappen Handbewegung aus dem Zelt.

Trotz dieses Fluchtversuchs aus ihrer Kommandogewalt steckte mich Samson weder in die Brigade MacGyver noch in die der Chemie-Nobelpreisträger. Es genügte ihr, aus mir halb Lee Harvey Oswald, halb Bruce Lee zu machen, und als ich endlich aus dem amerikanischen Stahlhelm ein Pistolen-Attentat in Hamburg und aus dem russischen den Zettel mit ihrem Namen zog, zuckte Samson leidenschaftslos die Schultern. Mit dem Repräsentanten der Kosovo-Befreiungs-Armee sympathisierte sie nicht mehr als mit mir, und kein Ausbilder, kein Mädchen und auch sie und ich zweifelten nicht daran, daß sie mich beim Nicht Bestehen der Prüfung schnell und genau zwischen die Augen treffen würde: ich würde ihr bester Schüler oder tot sein.

Daß ich besser im Operations Center gesessen hätte, wünschte sich Samson vielleicht schon, als wir vor der nur frisch gestrichenen Pension aus dem Taxi stiegen, aber ganz bestimmt in unserem Balkonzimmer mit Alster-Blick. Nur sehr besinnungslos verliebte Paare fielen auf diese Art Katalogtext herein, und ein entsprechend großes Ehebett war außer einem Stuhl, einem Schreibtisch und einem Schrank unser einziges Möbel. Weil die großmütterlich arglose Hausdame Samsons Beinahe-Glatze für ein Krankheitsbild hielt, störte sie unsere Lagebesprechungen im Frühstückszimmer immer wieder mit Orangensaft und Kamillentee, und am dritten Tag fuhr sie Samson knapp am Torpfosten vorbei zu ihrem eigenen Frauen-Chefarzt.

Als sie zurückkam, ließ sich Samson auf das Bett fallen, obwohl dort schon ich und der Hefter mit dem Vorlauf lagen.

"Gott! Ich fühle mich wie ein ausgenommenes Huhn", stöhnte sie. "Kannst du nicht gleich noch diesen weißhaarigen Fleischer erschießen?"

"Tja, wir können nicht mal unsere Zielperson umlegen", resümierte ich die Berichte. "Zur Zeit sind die Albaner die guten Ausländer, und um Wohnung und Büro lungert der Staatsschutz rum: wegen der serbischen Kollegen."

"Ja, ja, ja! Und er schreibt auch Gedichte, ja?" Samson drückte mir die Kuppen von Zeige- und Mittelfinger gegen die Nasenwurzel. "Du gehst mir auf die Nerven, Tom! Für unsere Auftraggeber ist er ein Terrorist, für uns ist er eine Geldquelle und für dich die Prüfungsaufgabe. Und wenn er der auferstandene Jesus wäre, dann hieße das auch nur, daß du den Pilatus machen müßtest!" Trotzdem griff sie den Hefter mit den Berichten, und nach einer Weile kaute sie unlustig auf der Unterlippe. "Hm, zugegeben: bißchen viele Bullen um ihn..."

"Und trotzdem ist es ganz einfach", sagte ich, stand auf und öffnete die Balkontür. Wenn eben genügend Pudel ausgeführt wurden, gab es eine gewisse Chance, daß ich den Vortrag meines Plans überlebte. "Ich müßte dich nur ein, zwei und höchstens drei Nächte im Revier der albanischen Zuhälter auf den Straßenstrich stellen..."

"Willst du mir endlich doch noch sagen, daß du mit mir bumsen willst?"

"Ich will nur die Eins im Diplom", sagte ich. "Im Moment... Denn um eine freischaffende, wildernde Hure zu verprügeln, wird der Typ bestimmt ohne seinen Generalstab und ohne den deutschen Staatsschutz anrollen, und es wird ein Kinderspiel sein und als Ballerei im Rotlicht-Milieu in der Zeitung stehen."

Samson setzte sich auf, drückte die breiten Schultern durch und machte mit den Armen konzentriert langsam ein paar Karate-Bewegungen. "Aber wieso sollte er mich für eine freischaffende Hure halten, hm?"

"Also in das eine oder andere Auto würdest du schon einsteigen müssen", sagte ich und reckte den Hals so gegen Samson, daß sie mir ohne große Anstrengung das Genick breche konnte. "Oral für siebzig, und um keinen Preis ohne Gummi..."

"Wir könnten aber auch eine Aktennotiz machen, daß es wirklich nicht ging", sagte Samson leise und faßte vorsichtig nach meinem Ohrläppchen.

Biographische Skizze

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Kapitan Laila
Außerordentliche Komission
RSD 10
Unterkommen

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Yossif
Yunost
Kubanisch-Polnische Revolution
Laodse

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Sklaven-Marketing
Der Schleim
Musterung
Schwitzbäder
Die Grauen Grizzlys
Private Aufnahme

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IG Bettl und Brettl
Die Schwarze Göttin
Back on stage
Da unten
Und tiefer
Video Star

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Begutachtung
Campus
Samson

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Rushdie und die UCK
Internet
Safari
Circus Maximus

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Die Höhle der Wölfin
Auf der Flucht
Die Grotten von Gomorrha
Die Nordallianz

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