Die Höhle der Wölfin

Ich war ja nicht nur der Preis für den Rückzugs-Stützpunkt und das Lieblingsspielzeug der First Lady gewesen. Auch der Präsident besaß keine gefügigere Lustsklavin als mich, seit ich das zwölfte Mal im Vorprogramm der Gladiatorenspiele aufgetreten war. Nie hatte ich gewußt, wer dabei mein Partner sein würde, ob sie oder er für die Löwen zurückbleiben mußte oder ob dieses Schicksal mir bestimmt war. Nach so einer Kur dachte wohl niemand an Flucht, nicht einmal bei einem Staatsbesuch in den USA, und mir war außerdem klar, daß J.R. täglich mehrmals darum betete, daß ich nie wieder in unser Camp zurückkam.

Um mich dennoch herauszuholen, mußte Samson ihr neues Vorzugs-Mädchen tauschen, und schon deshalb verzichtete sie darauf, meinen schriftlichen Bericht zu lesen. Letztlich war der Einsatz auch für mich glücklich ausgegangen, mein Sold war weiter gezahlt und ich war sogar gleichsam postum noch einmal befördert worden. Das genügte.

"Bloß weil du die gevögelt hattest, haben die Löwen doch noch lange keine Bekannten von dir gefressen", sagte Samson kopfschüttelnd. "Und seit tausenden Jahren werden Jahr für Jahr hunderte Leute, die du nicht kennst, von Löwen und Tigern gefressen!"

"Doch nicht in den Hauptstädten angeblicher Demokratien", widersprach ich, und weil ich das Sir weglassen durfte, war es fast eine Diskussion, fast unter Freunden. "Und wenn das die Demokratie ist, die wir verteidigen sollen... Was ist dann ein Terror-Regime?"

"Das wirst du dort erleben", sagte Samson und zeigte auf die Aktenordner, die auf dem anderen Feldtisch gestapelt waren. "Mangels Löwen schneiden sie dort den Gefangenen die Hälse durch, aber das vor der Video-Kamera. Die Bänder davon liegen auch irgendwo..."

Außer dem Arbeitsplatz in Samsons Zelt hatte ich von meiner Karriere kaum einen Vorteil. Nur wenn es nach Mitternacht geworden war und ich eins der Kriegsvideos sah, kroch sie manchmal unter den Tisch und machte mir die Hose auf oder setzte sich breitbeinig über mich, mir den Rücken zukehrend. Richtig intim wurden wir nicht mehr, und arbeitsmäßig bekam ich ja auch mehr mit Krähe zu tun.

Zu dritt wollten mich unsere Chefs nach Tschetschenien und ins Zentrum der separatistischen Bewegung bringen, und während J.R. und Samson das als eine Durchgangsstation in die Hölle oder nach Afghanistan ansahen, wünschte Krähe sich fast unverhohlen einen möglichst vollständigen Verrat der Verstecke und Verbindungsleute.

"Du könntest fast nebenbei einen Krieg beenden, zur Abwechslung mal", sagte er mir bei einer Wüstenwanderung. "Und du würdest das ja nicht zuletzt für deine Verwandten tun..."

"Hm, ich habe von da mal Hochzeitsgrüße bekommen", sagte ich. "Ewige Gastfreundschaft und so... Ob das wohl helfen würde?"

"Eine Kopie wird sich finden lassen", sagte Krähe und hielt mir die Zigarettenschachtel hin. "Aber als Parteichef mußte dein Schwiegervater Stalinist sein, und Stalin hat das ganze Volk deportieren lassen... Andererseits: nur er und General Dudajew sind so hochgekommen, und notfalls kannst du immer darauf bauen, daß sie bis zum letzten Mullah im Komsomol waren. Die Mullahs insbesondere, die..."

"...waren sogar an der Komsomol-Hochschule", ergänzte ich. "So gesehen wird die Sache fast ein Heimspiel."

Krähe besorgte sogar den originalen Brief, und das Operations Center belud mir in Dagestan einen gebrauchten Jeep mit zwei Stinger-Raketen, drei M 16, vier Mikrowellen, einem Zentner Mikrowellen-Gerichten und natürlich ausreichend Videokameras und Kassetten. Als Fahrer wurde ein Dreifach-Agent angeheuert, der pausenlos und abwechselnd von einer Mekka- und einer New-York-Reise, von Coca Cola und dem Koran, redete, aber auch die Parolen für die russischen Patrouillen und Straßensperren kannte.

"Wenn wir schon damals so zusammengehalten hätten, Deutscher", schwärmte er nach jeder überstandenen Kontrolle, "dann wäre Berlin heute die Hauptstadt Europas und Grosny die von Asien! Und ein Juden-Problem hätte niemand mehr..."

Lailas Heimat-Dorf war zuerst ein Zentrum des Widerstands, dann eine russische Garnison gewesen, und drei Tage vor meiner Ankunft hatte der Zirkel Junger Techniker des Dorf-Pionierhauses auf drei gebirgigen Kilometern die Strommasten gesprengt. Trotzdem nahmen meine Schwager die Geschenke begeistert an, und die Mikrowellen-Gerichte tauschten sie in der Dorf-Kneipe gegen einen Hammel ein, wie er vom Holzkohlen-Grill sowieso am besten schmeckte.

Richtig fundamentalistisch war in diesem Dorf eigentlich niemand. Die Obrigkeiten hatten nur ihre Lenin-Bärte weiter wachsen lassen, und die Frauen trugen Kopftücher, wie sie auch gegen den Herbstwind nötig gewesen wären. Daß es zum Hammel nur Tee gab, war für mich ein Problem, aber Samsons Islam-Interpretation kam wirklich gut an.

"Mohammed war bei weitem der netteste Prophet", sagte ich zu Schwager Yasir Yasirowitsch. "Er hat bei Allah dieselben Gebote wie Mose und Jesus gehört, aber er hängt ihnen eigentlich immer noch mildernde Umstände an und verschiebt die Abrechnung bis zum Jüngsten Gericht."

"Endlich mal einer aus dem Westen, der uns versteht", sagte der ehemalige Professor für marxistisch-leninistische Sprachwissenschaften und packte mir einen weiteren Fetzen fettes Hammelfleisch auf den Teller.

"Und warum nehmt ihr dann eurem Gott seine Arbeit weg?"

Yasir Yasirowitsch überlegte eine Weile. Dann faßte er in den Nacken seiner Frau und drehte ihren Kopf auf mich zu, und ich sah beinahe in Lailas Gesicht, nur daß dieses Gesicht unendlich älter, härter und faltiger war und wie ausgetrocknete Augen hatte. Das Kopftuch wurde von grauem Haar gebauscht, und Laila hatte nicht nur vor zehn Jahren anders ausgesehen, sondern würde ihrer Schwester auch noch in zwanzig Jahren so verschieden sein wie die Sonne dem Mond, wie ein botanischer Garten der uns umgebenden dürren Berglandschaft.

"Was, wenn es nicht nur keinen Kommunismus, sondern auch kein Jüngstes Gericht gibt", fragte Yasir Yasirowitsch. "Vielleicht ist der einzige Ort, an dem wir aufrecht stehen können, die Brust eines toten Feindes? Vielleicht wäscht uns nur Blut den Speichel unserer Herren ab, vielleicht nur für Minuten? Und daß wir in der Dritten Welt auch darauf verzichten sollen, kannst du nicht wirklich wollen, Bruder!"

"Wegen euch und deshalb bin ich ja hier", sagte ich und aß weiter. "Und ich habe noch ein paar kleinere Geschenke im Auto-Boden..."

Die Verwandtschaft und der Klang des doppelten Bodens genügten als Empfehlung, und zwei Tage später verband mir Yasir Yasirowitsch die Augen, damit mich ein schweigsamer Fahrer über gewundene Gebirgsstraßen und befahrbare Hänge an mein vorletztes Ziel bringen konnte.

Daß gerade im Augenblick des Auspackens der Stinger zwischen zwei Bergen ein russischer Kampfhubschrauber auftauchte, war ein für meine Mission günstiger Umstand, und nach allem Wüstentraining lief ich vor dem Gegenangriff und den Strafexpeditionen der nächsten Tage eher noch ausdauernder weg als die um vieles heiligeren Krieger. Weil ich die Hinrichtungs-Videos kannte, war ich bei Hinterhalten ein besonders gnadenloser Scharfschütze, und irgendwann traf unsere Abteilung in irgendeinem namenlosen Nest zufällig auf den Militär- und den Geheimdienst-Chef der Untergrund-Armee.

Die beiden hatten tatsächlich meinen Jeep in den Dienst ihrer Sache gestellt, und wir rauchten russische Beute-Zigaretten, während ihnen mein Kampfkommandeur vorschlug, meiner Seele Gutes zu tun. Militärisch würde ich den Afghanen noch einiges beibringen können, während mich Ousama bestimmt für Allah gewann. Ich konnte es mir sogar erlauben, vor dem Nicken ironisch zu grinsen, und nachdem ich mein Empfehlungsschreiben hatte, schlug ich dem Jeep noch wie einem alten Kumpel, der in den Tod ging, gegen die Karosse. Unter dem Tankschloß war der Schalter für den Peilsender versteckt, und drei Stunden später rasten drei MiGs über das Dorf unserer Rast hinweg, und in der Dämmerung war deutlich zu sehen, wie auf der anderen Seite des Tals sechs Raketen-Treffer die Serpentine vom Hang rissen und einen gewaltigen Steinschlag auslösten.

Biographische Skizze

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Kapitan Laila
Außerordentliche Komission
RSD 10
Unterkommen

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Yossif
Yunost
Kubanisch-Polnische Revolution
Laodse

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Sklaven-Marketing
Der Schleim
Musterung
Schwitzbäder
Die Grauen Grizzlys
Private Aufnahme

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IG Bettl und Brettl
Die Schwarze Göttin
Back on stage
Da unten
Und tiefer
Video Star

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Begutachtung
Campus
Samson

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Rushdie und die UCK
Internet
Safari
Circus Maximus

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Die Höhle der Wölfin
Auf der Flucht
Die Grotten von Gomorrha
Die Nordallianz

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