Charly

Eigentlich hieß er Karl. Also Kalle. Und ganz genau hieß er Karl Heinrich. Karl Heinz könnten wir zu ihm also auch sagen.

Charly nenne ich ihn aber, weil er immer solche Ideen hatte. Ideen, die seine Nachbarn in Trier an der Mosel nicht leiden konnten. Und nicht in Berlin, wo er studiert hat.

Deshalb hat er lange im Ausland gelebt. Am längsten und bis zum Schluß in London, und in England heißt ein Karl eben Charles. Wie heute der Sohn der Königin. Wenn ein Charles aber nicht gerade Prinz ist, dann heißt er für seine Kumpels eben Charly. Das ist doch ganz einfach, nicht?

Ansonsten ist die Sache mit Charly und seinen Ideen aber ziemlich kompliziert.

Nicht mal seine Mutter hat Charly erstehen können. Er war das älteste Kind einer nicht mal armen Familie, und er durfte nach der Schule sogar studieren. Als Charly lebte, war das noch etwas ganz besonderes - nur etwas für die Reichen und die besonders Schlauen. Charly durfte studieren, weil er beides war: nicht arm und schlau, und wenn er mal kein Geld hatte, dann nur deshalb, weil er zuviele Bücher gekauft oder zu viel Rotwein getrunken hatte. Oder er hatte der Polizei Strafe bezahlen müssen, weil er auf der Kneipe zu laut unanständige Lieder gesungen hatte, in der Kneipe ein paar Gläser zerschmissen oder so...

Doch nicht unser Charly, werden alte Leute, die ihn natürlich ganz genau kennen, an dieser Stelle rufen. Aber gemacht hat das Charly trotzdem. Die meiste Zeit hat er freilich studiert, gelesen und nachgedacht, und dabei war Charly besser als die meisten, die mit ihm an der Universität waren.

Deshalb dachten seine Freunde, seine Universitätslehrer, die „Professoren“, und Charlys Mutter, daß Charly mal etwas ganz Berühmtes und Wichtiges werden würde. Professor mindestens. Professor oder Rechtsanwalt, und vielleicht sogar Minister. Das haben sie dem Charly auch angeboten, die Professoren und Minister: daß er einer von ihnen werden könnte. Aber Charly wollte nicht.

Charly wollte nicht, und das lag eben an den Ideen, die er beim Studieren gekriegt hatte. Und das konnte nicht einmal seine Mutter verstehen. Charly war schon in allen wichtigen Ländern berühmt, da jammerte seine Mutter daheim in Trier noch immer: „Was hätte der Junge bloß werden können, wenn er was Richtiges gelernt hätte und nichts so dickköpfig gewesen wäre!“

Andere Leute meinten sogar, Charly sei einfach doof. Sie sind aber nicht etwa losgerannt, in Trier oder London, ein Stück Kreide in der Hand, und haben es an eine Wand geschrieben: „Charly ist doof!“

Sie sind in große Büchereien gesockt, haben Unmengen Bücher gelesen und abgeschrieben. Zeitungen haben Geschichten über Charly und seine Kumpels gedruckt und so weiter. Bedeutet hat das zwar dasselbe, und noch heute steht fast in jeder Zeitung mindestens eine Seite lang, daß der Charly doof und außerdem immerzu betrunken gewesen sei. Und nur deshalb sauer auf die Reichen, weil er selber nie genug Geld hatte, und... und... und...

Klar, daß da was nicht stimmen kann. In meiner Schulklasse zum Beispiel gab es auch ein paar Doofe. Ganz logisch. Aber ich habe vergessen, wie die hießen, und in Görlitz kennt die auch niemand mehr.

Wenn ich nun überall rumschreien oder gar dicke Bücher darüber schreiben würde, daß Andreas oder Uwe doof gewesen ist, dann würde doch jeder nachrechnen: Über zwanzig Jahre ist das her, und so doof kann Andreas oder kann Uwe ja gar nicht gewesen sein, wenn der Schreiber den oder den heute noch so wichtig nimmt. Vielleicht konnte er den oder den einfach nicht leiden, und vielleicht hat er ja sogar damit Recht gehabt... Bloß das ist was ganz anderes, würde es heißen. Das muß man schön auseinander halten!

Und davon handelt dieses Buch, und jeder soll von Anfang an wissen: ich halte Charlys Ideen nicht für doof. Im Gegenteil. Und das kann sehr gut daran liegen, daß wir zu Hause auch nicht genug Geld haben und deshalb sauer auf die Reichen sind...

Und das ist eigentlich schon eine von Charlys Ideen: daß ein paar Leute reich sind, liegt nur daran, daß viele Leute ärmer oder sogar so arm sind, daß ihre Kinder verhungern. Da müssen die Menschen zusammen was dagegen tun, und was sie dagegen tun, das kann mal schlauer, mal dümmer sein. Aber machen müssen sie was dagegen. Die Reicheren vielleicht, aber die Ärmeren und Armen unbedingt...

Charly

Charlys Frühstücks-Idee

Von den Philosophen
Womit die Philosophen ihre Mäntel verdienen
Ob der Mensch nur ein zu großes Hähnchen ist
Warum die Athener den Philosophen Sokrates umbrachten
Platon und der Tyranno
Wie Platon frühstückte

Die Idee von der ordentlichen Unordnung

Fritze in Berlin
Der Philosoph mit den drei Vornamen
Hegels Kinder
Wie Charly und Fritze Freunde wurden
Was Charly und Fritze an Hegel so sehr gefiel
Von den Gesetzen
Ein Gesetz über den Holzdiebstahl
Was Charly und Fritze beim Bier einfiel

Die Gespenstergeschichte

Der Kommunismus
Wann und warum das große Teeglas überläuft
Caesar und die Kaiser
Der neue Caesar - das Geld
Aber... Aber?
Wo das Gespenst blieb

Die Idee vom Backstubenwunder

Von dummen Ideen in schlauen Köpfen
Wie man durch das Tauschen leben und reich werden kann. Oder nicht.
Einfache Merksätze über den Reichtum
Schaufensterbummel
Das Backstubenwunder
Der Mörder ist immer... der Bäcker!

Die Idee, unsterblich zu werden

Andere Köpfe mit anderen Ideen
Bakunin, der Grizzly
100 Tage Frühling
Die Idee, faul zu sein
... und kein Ende ...