Was Charly und Fritze beim Bier einfiel

Als Charly und Fritze richtige Freunde geworden waren, trafen sie sich abends manchmal zum Biertrinken. Fritze, der das Geld hatte, wollte dazu lieber in die feinen, teueren Gaststätten gehen.

"Ich kann mir das ja leisten", sagte Fritze und schenkte Charly eine teuere Zigarre. "Erstens kommt da der Kellner schneller, und für mein Geschäft ist ja nicht unwichtig, daß mich meine Kollegen Fabrikbesitzer sehen."

"Sei doch nicht blöde", sagte Charly und rechnete Fritze mal Verschiedenes vor. "In den miesen Kneipen, wo deine Arbeiter hingehen, ist das Bier doch viel billiger! Da können wir für weniger Geld mehr Bier trinken, unanständige Lieder singen und so! Und wenn wir dann besoffen unter den Tisch rutschen, sehen das deine Kollegen Fabrikbesitzer nicht!"

Weil Fritze ja nicht blöd war, nur gern ziemlich reich, gingen sie auch meistens in die Kneipen, die Charly aussuchte. Da saßen sie rum, tranken, erzählten den Arbeitern Witze oder unterhielten sich zu zweit über Philosophie.

"Die ist ja ganz einfach, die Sache mit dem Recht: Es muß verschieden groß sein, damit es gleich groß ist", sagte Fritze zum Beispiel. "Das Komplizierte daran ist nur: wer Hegel kennt und das verstehen kann, hat fast immer das Recht und dazu noch einen Wald oder - wie ich - eine Fabrik. Und weggeben möchte ich meine Fabrik eigentlich nicht... Aber die, die sie mir wegnehmen dürften und könnten, die kennen ja Hegel nicht! Und wie du ihn weitergeschrieben hast, wissen sie auch nicht!" Und Fritze bezahlte einem Arbeiter das Bier und fragte ihn: "Hej, du! Hast du schon mal was von Hegel gehört?"

Der Arbeiter trank das geschenkte Bier und sagte dann: "Jede Menge Igel hört man hier! Aber jetzt hört man nichts von ihnen, weil die gerade Winterschlaf machen! Weißt du nicht mal so einfache Sachen, du feiner Pinkel?"

"Siehst du", sagte Fritze traurig zu Charly.

"Aber das ist doch ganz toll", rief Charly an genau diesem Abend. "Denn das ist doch gerade die Dialektik! Eine Sache ist immer zugleich sie selbst und ihr Gegenteil! Und das heißt: gerade die, die von Hegel noch nicht mal einen Vornamen kennen, werden genau das machen, wovon er philosophiert hat... Paß mal auf!" Und Charly borgte sich von Fritze Geld, um dem Arbeiter nochmal ein Bier bezahlen zu können. "Du, Kumpel! Wenn ich dir versprechen würde, daß ich nicht die Polizei rufe, würdest du dann meinem Freund das Portemonnaie klauen?"

"Aber klar, Mann", sagte der Arbeiter.

"Und wenn gerade er der Chef deiner Fabrik wäre, würde dich das stören?"

"Spinnst du ", fragte der Arbeiter.

"Und daß Mose als Gesetz aufgeschrieben hat 'Du sollst nicht stehlen', wäre dir dann wahrscheinlich egal?"

"Welches Motzek", fragte der Arbeiter und trank das Bier aus. "Das sagt bei uns immer der Pfarrer... Aber der braucht ja auch nicht zu klauen! Der hat ein schönes Haus und satt zu essen und immer Feuerholz und so."

Fritze rieb sich die Augen. "Du hast keine Angst vor deinem Chef? Und nicht mal vor Gott?"

"Nöö", sagte der Arbeiter. "Bloß vor der Polizei muß man sich ein bißchen vorsehen! Und bezahlt ihr mir noch 'n Bier und verratet mir endlich, was dieses Rätselraten mit Igeln zu tun hat?"

"Mit Hegel", berichtigte Charly und strahlte über das ganze Gesicht. "Hegel ist ein schlauer Philosoph, und der hat aufgeschrieben, daß du das Recht hast, deinen Chef zu verprügeln, wenn du das kannst. Und ihm das Portemonnaie wegzunehmen, wenn du willst... Oder die Fabrik... Kellner, noch drei Bier!"

"Hegel", staunte der Arbeiter. "Donnerwetter! Na, wenn einer so phiele sopht wie wir, weiß er eben, woran unsereiner so denkt. Da kriege ich fast Lust, deinen Hegel zu lesen... Und das bedeutet viel bei mir, kannste glauben! Vorher müßte ich nämlich erst mal schreiben und lesen lernen, waa!" (Damals waren die Maschinen noch so einfach, daß kein Arbeiter die Bedienungsanleitung lesen mußte, und deshalb bezahlten die Fabrikbesitzer und der König auch nicht die Lehrer und Schulbücher für die Arbeiterkinder.)

Den Philosophen Igel aber merkte sich der Arbeiter, obwohl er mit Charly und Fritze an diesem Abend noch eine Menge Bier getrunken hatte. Er erzählte später in seiner Fabrik rum, daß er mit Freunden von diesem Igel phile gesophen hatte und alle nur darauf warteten, daß die Polizei mal woanders zu tun hatte. Dann würden sie zu dritt den ganzen reichen Leuten die Brieftaschen und die Fabriken wegnehmen, ordentlich Bier trinken und vielleicht sogar noch lesen lernen. Wenn die anderen Arbeiter Charly und Fritze fragten, ob das denn alles stimmte, nickten die beiden. Sie verdrehten manchmal die Augen oder lachten, aber vor allem nickten sie

Charly

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