Die Idee vom Backstubenwunder

Von dummen Idee in schlauen Köpfen

Viele Leute halten Einstein für den schlauesten Mann dieses Jahrhunderts. Wieso er das war, verstehen sie nicht, und das reicht ihnen als Beweis aus.  Nur Einstein reichten seine Entdeckungen, daß die Zeit um so langsamer vergeht, je schneller man sich bewegt, und daß Lichtstrahlen in Wirklichkeit gar nicht gerade, sondern ein bißchen krumm sind, noch nicht aus. Einstein meinte auch, daß er ganz prima Geige spielen könnte, und das machte er ebenso gerne wie rechnen oder kluge Sprüche sagen. „Vorzüglich, Professor“, sagten seine Zuhörer dann immer. „Sie sind ein ebenso guter Violinist wie Gelehrter...“ Aber ich denke, daß sie Einstein anschwindelten. Denn obwohl es schon die ersten Schallplatten und später auch Tonbänder gab, ist nie jemand auf die Idee gekommen, Einsteins Geigenspiel aufzunehmen. Dabei wäre das die allerbeste Schallplatte aller Zeiten geworden: der schlaueste Mann des Jahrhunderts als bester Geigenspieler des Jahrhunderts! Da würde sich Michael Jackson noch heute schwarz ärgern...

Deshalb glaube ich, daß Einsteins Idee mit dem Geigenspiel eine von den dummen Ideen war, die es sogar in den klügsten Köpfen gibt.

Und natürlich hatte auch Charly, von dessen klugen Ideen ich schon die ganze Zeit erzähle, ein paar dumme Ideen. Zum Beispiel dachte er wie viele dümmere Leute seiner Zeit, daß man die Eigenschaften der Menschen an der Form ihrer Köpfe sehen und abmessen könnte. Ein netter Mensch sollte einen schönen runden Kopf haben, ein gemeiner einen schiefen, verbeulten Kopf. Immer, wenn neuer Besuch kam, juckte es Charly, ein Maßband zu holen und die Kopf-Lehre, über die heute alle lachen, nachzuprüfen...

Charlys dümmste Idee war aber wahrscheinlich die vom großen Erfolgsbuch über den Reichtum. Als er schon ein berühmter Philosoph der armen Leute war, und deshalb trotz seiner Berühmtheit selber arm, kam er auf diese Idee.

Solange hatte er schon über den Reichtum nachgedacht, überlegte Charly, daß er davon bestimmt mehr verstand als irgendein Reicher. Das müsse er doch einfach nur aufschreiben, und das würde doppelt gut sein: die Arbeiter würden besser verstehen, wie die Reichen reich geworden waren und wie die Welt funktionierte, und die Reichen würden sich das Buch kaufen, um zu sehen, wie sie noch reicher werden konnten. Ein paar hunderttausend Mal würde sich so ein Buch verkaufen, schätzte Charly, und von dem Geld, das er abbekam, würde er Jenny soviele Tischdecken kaufen, daß sie jeden Tag  eine neue auflegen konnte. Er würde seinen Töchtern neue Schleifen und sich jede Menge Rotwein und Zigarren kaufen können, und vielleicht konnte er sogar Fritze mal etwas vom geborgten Geld zurückgeben...

Charlys Idee gefiel auch dem Besitzer einer Buchdruckerei. Ja, so ein Buch würde er gern drucken und verkaufen, versprach der Mann, und Charly versprach ihm dafür, das Buch in höchstens drei Monaten fertig zu haben. Nur ein, zwei Dinge gebe es noch, zu denen er in der Britischen Bibliothek noch mal nachsehen müßte... Charly ging in die Bibliothek, sah in die richtigen Bücher und hatte plötzlich drei, vier Fragen, und am nächsten Tag ging er wieder in die Bibliothek, und als er herauskam,  wußte er über fünf oder sechs Dinge nicht mehr so richtig bescheid. Deshalb dauerte es ein paar Jahre, bis Charly das Buch fertig hatte: ein dickes Buch in seiner ganz winzigen Schrift, und vor dem Einpacken und Losschicken las er es noch mal durch, schmiß alle Zettel in eine Ecke seines Arbeitszimmers und fing noch einmal von vorne an.

Wieder dauerte es ein paar Jahre, und als Charly auch das nächste Buch wegschmiß, fing Fritze es auf und brachte es schnell zu dem Buchdrucker, der noch immer hoffte, viel Geld damit zu verdienen. Weil viel Geld auch „Kapital“ genannt wurde, und weil der Held des Buches der Reichtum war, nannten Charly, Fritze und der Buchdrucker das Buch auch so: „Das Kapital“.

„Das Kapital“ verkaufte sich aber gar nicht gut. Nur ein paar Professoren kauften es sich und meinten nach dem Lesen, daß Charly wohl doch ziemlich schlau und endlich auch vernünftig geworden sei. Endlich habe er aufgeschrieben, warum es den Reichtum geben müßte, und daß es gut und richtig war, reich zu sein.

Die vielen Arbeiter ließen sich das Buch nur erklären und fanden ganz in Ordnung, was man sich davon erzählte: wenn es das Kapital schon solange gegeben hatte, dann hieß das nach Hegel und Charly ja einfach, daß es nun Zeit war, diesen Reichtum abzuschaffen. Und wenn das Kapital etwas ganz kompliziertes war, dann war es nach Hegel und Charly um so leichter kaputt zu machen... Sie verstanden Charly also gut, aber kaufen, kaufen wollten sie sich das Buch von ihren übrigen Groschen nicht: da kauften sie sich doch lieber Bier ‘für.

Charly schnaufte ärgerlich, borgte sich wieder Zigarren-Geld von Fritze und schrieb weiter an seinem großen Buch vom Reichtum. Er schrieb einen zweiten, dritten, vierten und fünften Teil... Er schrieb daran, bis er starb: reicher als die Arbeiter seiner Zeit, aber immer noch viel ärmer als die meisten klugen Leute.

Charly

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