7.

Mein Dealer war eine natürlich kleine und noch dazu schöne Vietnamesin, die an diesem Sonnabend-Mittag mit ihrem Kinderwagen vor meiner Aldi-
Kaufhalle stand. Sie erkannte mich und nickte, bevor ich den Hals lang genug hatte, um nach meiner Sorte zu schielen.

„Lange Camel“ fragte ich trotzdem. „Haben Sie da noch ‘ne ganze Stange?“ 

Sie hatte, und während sie das Wechselgeld für den Fünfziger aus der Anoraktasche suchte, zwinkerte ich ihrem Baby zu. Ich würde auch noch etwas zu essen einkaufen und mir einen bescheidenen Whisky-Vorrat zulegen, und alles das ergab schon einen überlebbaren Tag. Daß ich noch einmal zum Auto zurück mußte, weil ich die Art Zigaretten nicht in Geschäfte mitnahm, war da eben noch zu verschmerzen.

Später freute ich mich, sogar mit zwei Granaten und den Zigaretten nur knapp über hundert Mark gekommen zu sein, und bei soviel eitel Sonnenschein an einem ziemlich trüben Sonnabend mußte dann einfach mal etwas schief gehen.

Ich kam zeitgleich mit einer Bullentaxe vor meinem Haus an und ließ ihr den letzten Parkplatz schon, weil ich die Zigaretten noch tiefer in den Einkaufskorb kramen mußte. Als ich zu Fuß zurückkam, liefen gerade zwei Sanitäter und ein Arzt ins Haus. Sofort war Sonnenfinsternis, und mein Magen verkrampfte.

Obwohl oder weil ich von allen Nachbarn nur Meister näher kannte, war ich mir sicher, daß die Drei die Trage bis in den zweiten Hinterhof schleppen würden. Ich redete mir immerzu so düsteres Zeug ein, damit ich nur angenehm überrascht werden konnte, aber diesmal lag ich verdammt richtig.

Der Aufruhr war zwischen Meisters Autos, und außerdem hatte Beate ihr Fahrrad an das Rammgitter des Jeeps geschlossen, den Meister nicht einmal einem Verband seniler sozialdemokratischer Weltkriegsveteranen hatte andrehen können.

Ich war schon fast durch den ganzen Korridor des ersten Hinterhauses geschlichen, als zwischen dem Wellensittich-Grün der Bullenrücken Beates schwarzer Parka auftauchte. Sogar die Zigarette, die Beate paffte, übersah ich deshalb großmütig.

„Hi, Makow“, sagte Beate. „Ich hoffe für mich, du kennst ‘n guten Anwalt. Und was kostet eigentlich ‘n halb verrosteter Manta?“

„Ihr sollt eure Klassenfeten doch woanders feiern“, sagte ich, überspielte aber die große väterliche Erleichterung nur so, wie ich Gitarre spielte.

„Platz da“, schrie der Arzt, der mit einer großen Flasche neben der Trage herjoggte.

Wäre der Inhalt der Flasche whisky-braun gewesen, hätte ich auch noch vermuen müssen, daß der zerschnittene Schädelbruch zwischen den Sanitätern ein fast schon toter Pathologe war.

„Markow“, bellte mich ein Polizeihund an, der aber leidlich aufrecht stehen konnte. „Du verstehen Deutsch?“

Ich holte tief Luft. „Na, ja... Ich habe über den Wortschatz Walthers von der Vogelweide promoviert. Wird das für Ihre polizeilichen Ansprüche genügen?“

„Ausweis“, bellte der Polizeihund noch giftiger, um sich danach wenigstens als Polizeimensch zu geben. „Sie sind also deutscher Staatsbürger, Herr Markow? Und Sie waren einkaufen, ja?“

„Aber für Sie wird der Grünkohl nicht reichen!“

„Papa! Alter“, sagte Beate hastig und zupfte an meinem Lederjacken-Ärmel. „Der Typ eben... Den habe ich aus deinem Fenster geschmissen. Echt! Ma-Geri Yulan, aber natürlich hatte ich  Glück!“

„Oh, ja“, sagte ich wenig überzeugt.

„Und? Kennen Sie den Toten“, fragte der Polizist.

„Ich kenne eigentlich keinen, den meine Tochter aus dem Fenster werfen würde. Von ihrer Mutter mal abgesehen... Und dann ist er ja gar nicht tot gewesen!“

„Inzwischen ist er es bestimmt. Und wenn das ein Fremder war...“

„Das war er bestimmt!“

„...dann hat Ihr Fräulein Tochter wirklich Glück gehabt.“

Weil ich meinen Ausweis wiederhaben wollte und sowieso den selben Weg hatte, folgte ich dem Polizisten, Beate an der Hand.

Um den zertrümmerten Manta standen noch zwei Polizisten und der selbst gelbe Meister, und zwischen seinen anderen unverkäuflichen Autos klemmte der Rest der Hausversammlung. Ich sah an der Wand hoch. Ich meinte mein Büro-Schaufenster, nickte aber auch dem Kopf aus dem Fünften-Stock-Fenster zu. Daß dort oben jemand wohnte, hatte ich bisher noch gar nicht bemerkt.

„Einen Waffenhändler haben Sie doch nicht erwartet“, fragte der Polizist und rieb sich etwas an mir. Es war freilich weniger eine Anährung als vielmehr ein Zurückweichen.

„Und wenn, würde ich das bestimmt nicht zugeben“, sagte ich und hustete vor Schreck.

Schon in umweltfreundliche Plaste-Tütchen verpackt lagen auf dem alten Ziegelpflaster des Hofes zwei moderne und schallgedämpfte Pistolen, eine Art Bajonett und zwei verchromte Totschläger.

Es war dumm, das vor den Polizisten zu tun, aber ich holte die unversteuerte Zigarettenschachtel aus der Jackentasche und zündete mir erst einmal eine an. Selbst wenn ich für einen Moment ignorierte, daß im zweiten Stock ein Tausend-D- Mark-Fenster und hier unten ein wertgereifter Manta zu Bruch gegangen waren, konnte ich nicht übersehen, daß ich ein Problem hatte.

„Das Auto bezahlt ja vielleicht seine Versicherung“ sagte Beate. „Daß er da rauf ist, ist doch nicht auch noch meine Schuld! Oder?“

„Und der einzige Versicherungsvertreter, den ich kannte, ist auch tot.“

„Bitte“, fragte der Polizeimeister interessiert.

 

 

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