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16.Für den nächsten Nachmittag hatte sich die Glaserei angemeldet, und darum hatte ich Beate Doris überlassen. Ich wachte erst auf, als mich Doris schon halb in dem glitschigen Gummi hatte, und um meinen Kopf standen so viele Kartons, daß ich auch nicht in diese Richtung entkommen konnte. „Du hast was abzuarbeiten“, sagte Doris. „Und heute bist du perfekt angezogen, und ich bin nicht angemalt, also mach!“ Tatsächlich wollte Doris das Nötige aber selbst machen. Sie rieb mich, bestieg mich und ritt mich eher im Trab als im Galopp, und von Zeit zu Zeit holte sie sich meine Hände an ihre mäßigen Brüste. Es ging ihr vor allem darum, zu bestimmen, und ohne irgendwelches Theater legte sie sich schließlich auf mir lang. Ihr Gesicht war dicht vor meinem, mit großen, gesunden Zähne und einem tiefen Ring um das linke und einer bunten Schwellung um das rechte Auge. Selbst ihr Blond, das an den Haarwurzeln schon auswuchs, hatte etwas Anrührendes. „Der Professor bezahlt“, sagte Doris. „Den Computer... Damit du mich ran läßt, hat er gesagt!“ „Und bestimmt nur den Computer gemeint!“ „Der Professor? Naja, er ist dein Freund und mein Macker, aber eben auch ‘n ganz schönes Ferkel!“ „Ich stell ihn auf“, sagte ich und küßte Doris das geschwollene Auge. „Und ich meine den Computer, im Moment!“ Der neue Monitor war ein Vermögen wert, die Tastatur ergonomisch, und das dritte Paket war ein A-4-Farbscanner gewesen. Darum mußte ich in das Gehäuse, die neue Karte stecken, und die erste Tortur war, daß mir Doris den Schlafanzug nicht wiedergab und mich nicht an den Rest meiner Sachen ließ. Noch härter war freilich, daß Doris sofort den Stuhl besetzte, als der Computer und ich ziemlich zeitgleich soweit waren. Sie spielte noch kurz mit den Fingerspitzen an mir, dann schaltete sie das Gerät ein und kam ziemlich gut damit zurecht. „Gehst du mal einkaufen, heute“, bestimmte Doris mehr, als daß sie es fragte. „Ich esse am liebsten Tortellini, aber mit Pilzsoße.“ „Ich hasse Nudeln“, sagte ich und stellte fest, daß mir nach dem Streß nur einer halben Woche sogar die Jeans wieder paßte. „Ja, gut“, sagte Doris. „Das trifft sich doch!“ An der Wohnungstür drehte ich noch einmal um, um Doris die Pistole auf den Scanner zu legen, aber während dieser Abwesenheit wollte niemand in die Wohnung, und später ließ sich auch die Glaserei Zeit. Doris wollte den Entwurf fertig machen, in dem sie überfallen worden war, und darum nahm ich mir die Gitarre auf das Sofa mit. „Die Wirtschaft schmückt mit grünen Punkten selbst die Bäume“, wiederholte ich mir immer wieder, und irgendwann fiel mir die Vase für Haases einzigen falschen Totenschein ein:„Gewes’ne Hirten henken markttags arme Schweine...“ Als zwei junge Türken das Ersatzfenster brachten und in ein paar Minuten einsetzten, kam ich auf den ersten Reim, und ihn widmete ich meiner mißverstandenen Tochter: „Ein Sandmann im Karaterock besorgt die Träume.“ Daß ich Beate von der Schule hätte abholen müssen, fiel mir erst ein, als sie im Hof pfiff, und vor dem Dispo-Scheck für die Handwerker schrieb ich noch schnell die Pointe in mein Notizheft: „Die Polizei druckt Freifahrkarten nach Bad Kleinen.“ Noch als Doris mit den Entwürfen für die Rüganer Existenzgründer an den Abendbrot-Tisch kam, sprach alles für eine Idylle, und darum las ich das Gedicht wie ein Tischgebet vor. „Geil“, sagte Beate. „Echt geil! Würdest du mir mal die Buletten rübergeben?“ „Ich weiß nicht“, sagte Doris unsicher. „Ist das ‘n Heilbad oder ‘ne Polizeischule oder was?“ „Laß mal“, sagte Beate schnell. „Das ist nicht mal für ihn wichtig, solange du es ihm gut machst!“ „Danke für die Nachfrage! Sie macht es gut!“ „Gelernt ist gelernt“, sagte Doris, sah aber unsicher zwischen mir und Beate hin und her. „Ich habe was falsch gemacht, ja?“ „Geil ist das mindeste, was du zu Papas Gedichten sagen mußt“, lief Beate auf die Seite von Haases Sonntagshure und künftiger Frau über. „Es war wie unser Familien-Stammtisch in der Wendezeit, für ‘n Moment. Und heute schreibt Hannelore druckreif für BILD.“ „Die Vistenkarten hast du auch gut gemacht“, sagte ich und hebelte mir und den Frauen das Bier auf. „Und in Bad Kleinen haben die Bullen den Terroristen erschossen. Hast du bestimmt gehört ‘von!“ „Ah, ja!“ Doris biß kräftig von ihrem Knoblauchquark-Brot ab. „Das ist das einzige was hilft! Rübe runter oder eben Blei...“ Sie verschluckte sich, hustete und griff dann nach der Bierflasche. „Aber ich habe nichts gegen Linke und so, ehrlich! DSF und DFD...“ „...alles mitgemacht“, ergänzte Beate. Sie mußte dabei sein, sich ernsthaft in Doris zu verlieben, wenn sie es fertigbrachte, immer noch tolerant zu sein. „Davon abgesehen, bist du aber schwer in Ordnung, Dolly!“ „Und das haben wir doch alle mitgemacht“, gab ich die Prinzipienreiterei auf. „Also ich persönlich war nicht im DFD, aber ich würde das auch nicht direkt bewußte Opposition nennen.“ Endlich einmal verstand Doris einen unserer Witze, und entsprechend gründlich lachte sie. Haase würde mit ihr gut auskommen, fand ich, und ich schlug vor, daß wir zusammen unter Meisters Geschäftsdusche gehen sollten. Diesmal mußte ich den Kopf für meine selige Tochter schütteln, und Beate nahm ziemlich beleidigt die Aktentasche und erinnerte sich wohl zum ersten Mal in ihrem Leben selbst an ihre Hausaufgaben. |
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