33.

Ich hatte vorgehabt, am nächsten Morgen zu meinem Ex-Schwager zu fahren, aber daran erinnerte ich mich erst, als ich zwischen den Tagebauen vor Vlauwitz fuhr. Schon deshalb blieb mir nur der Deutsche Hof, und der Schweine-Kastrierer riß sich fast die Arme aus, als er hinter der Tür meine Stimme hörte. Er grinste wie ein Mann, der sich mit seiner Rache Zeit lassen konnte und dafür außerdem gute Freunde in Reserve hatte.

Gleich am Eingang der Bar tanzten die freien Mädchen auf mich zu, als sei ich neu in in ihrem Geschäft, aber ich hatte nur noch auf meinen Stammhocker Lust. Allerdings war Gabriele damit befaßt, den in die Jahre gekommenen James Bonds ihre Wodka-Martinis zu schütteln und zuzusehen, was zwei kreischende und hurenbunte, aber teuer geputzte alte Schachteln mit den aus dem Würfel hängenden Brüsten der Nackten Lust anstellten. Die beiden versuchten, ihre Zitzen genug zu reizen, um die mit einem Kettchen verbundenen Warzenklammern anlegen zu können.

"Lecken Sie doch, meine Damen", forderte Laabs über die Saal-Lautsprecher auf. "Ein bißchen bi sind wir doch alle! Oder kneifen Sie leicht..."

Auch Laabs beschäftigte die Kisten-Nummer so, daß ich es riskieren konnte, der Milchbar-Dame nur einen Zwanziger in das schon ziemlich ausgestopfte Goldhöschen zu stecken. Das war insofern fair, als ich in der Hauptsache Alkohol brauchte. Ich schütte eine Portion Curaçao in ein anderes der bereitstehenden Gläser und nahm aus einem dritten nur einen zusätzlichen Eiswürfel.

Das Gefühl, die fast schwarzen Brüste mit den fast violetten Warzen ganz nüchtern anzufassen und abzuschätzen, war schon ein anderes als das beim ersten Mal. Die geschwollenen Poren waren wie nachwachsende Zitzchen, und die Zitze selbst war dick wie ein Fleischerdaumen und trotz ihrer Überreizung tief gefurcht.

Der Nachteil der Nüchternheit war, daß ich den Blick der Schwarzen nicht übersah. Ihre Lippen waren ein handbreites, aufgesetztes und gefrorenes Lächeln, aber ihre Augen bettelten um die sachlichere Variante der Selbstbedienung.

Seufzend griff ich nach der medizinischen Pumpe, und die Brüste waren tatsächlich schon so leer, daß alles andere eine Folter gewesen wäre. Selbst für einen mehr symbolischen Schluck quälte ich die Kleine ziemlich lange, und obendrein hatte der Beigeschmack gar nicht am Likör gelegen.

Gabriele war freilich zufrieden mit mir. Als ich schon auf dem Hocker klemmte und wie der ganze Saal einer kleinen Abschnürung der Nackten Lust zusah, brachte sie mir einen Whisky und stieß gegen das Milchglas.

"Mein Doktor, sieh an! Wird dein Geschmack doch langsam dörflicher!"

"Kunststück! In meiner Wohnung hocken die Geschwister deiner Nackten Lust. Nur dürrer. Und dazu randvoll."

"Na, und die Polizei?"

"Meine Tochter hat Mutter Theresa gespielt: da kann ich doch nicht den Mielke machen!"

Gabriele gluckste. "Deine Tochter! Die möchte ich wirklich mal kennenlernen!"

"Oh, das werde ich aber zu verhindern wissen!"

Gabriele nahm den Kopf weiter als sonst in den Nacken. Ihre hinter den Nasenflügeln beginnenden Fältchen wurden tiefer, und ihr Unterkiefer schob sich vor. Schnell faltete ich die Hände zum Gebet und versuchte Heikes Frühstücksblick.

"Aber wir... Wir zwei könnten mal zusammen Kaffee trinken. Heute, morgen mittag?"

Es gehörte wohl zu ihrem Spiel, daß Gabriele nicht antwortete, und weil Laabs die Show für beendet erklärte, hatte Gabriele auch anderes zu tun. Die Gäste fanden sich nun zahlreicher an der schmalen Seite des Tresens ein, verhandelten über Reihenfolgen und Extra-Zuschläge und wurden im Warten auf ihre Termine schnell durstiger.

"Herr Doktor", begrüßte mich Laabs, obwohl ich ihm meine Karte gar nicht gönnerisch entgegen gehalten hatte. "Sie sehen sich nach Ersatz für die Frau Doktor um? Ich meine natürlich für Frau Doktor Henrich."

"War sie heute gar nicht da?"

"Frau Doktor ist heute früh gegangen. Frau Doktor geht gewöhnlich relativ früh."

"Die Praxis", sagte ich mehr entschuldigen als neugierig.

"Ja, ja, das ist Ihre Praxis", sagte Laabs grinsend.

Daß er aus dem Westen herübergekommen war, war die Nebensache. Er war einer der Typen, die ich schon dafür haßte, daß ihnen ihre Anzüge besser standen. Sie waren reicher und schöner, Wilkinson-Protector-rasierte Frauentypen und schon immer vor mir der Igel im beruflichen Ziel, aber selbst das waren Nebensachen. Die Hauptsache waren ihre Anzüge, denn sie waren nichts als die Fressen zum Anzug.

"Und Ihre Praxis", fragte Laabs. "Gabriele erwähnte, daß Sie singen..."

"Nur in der Badewanne, und höchtens noch auf sozialistischen Parteiversammlungen."

"Und Sie schreiben Werbetexte! Wir sind Kollegen, glauben Sie mir das!"

"Tja..."

"Sie verleihen Fahrräder, mir gehört Schnäppchen Tours. Das hier ist für uns beide das Hobby... Und von Kollege zu Kollege könnte ich Ihnen doch Ersatz vorstellen, weit mehr als Ersatz!"

Ich neigte den Kopf zur Milchbar-Dame, die sich hinter seiner rechten Schulter im Griff eines betrunkenen Mellkers wand. "Sie? Oder die Nackte Lust?"

Für einen Moment verschwand das Kupplergrinsen aus dem Westgesicht. Seine Augen rollten unsicher, und seine Zähne rieben eher brutal aufeinander. Dann lachte er umso angestrengter.

"Das waren die Haupttreffer! Blanche, wir nennen die Negerin aus Gaudi Blanche, die Weiße... Blanche gibt hier zwar alles, aber sie darf eben nur geben. Sonst wäre das Risiko einer Masseninfektion zu groß, wenn Sie verstehen! Und die Nackte Lust... Da hat jemand..." Laabs schielte zu Gabriele. "Da hat jemand ein ganz persönliches Tabu gesprochen." Er beugte sich soweit zu mir, daß er durch den Schmusehit nur flüstern mußte. "Und persönlich glaube ich auch nicht, daß zweimal vier Pfund Silikon tatsächlich soviel Aufmerksamkeit wert sind. Operieren Sie doch einfach Ihre Frau! Bevor sie hier anfing, hat die Nackte Lust ihrem Mann nicht mal erlaubt, ihr die Schamhaare abzurasieren und sie einzuölen."

"Nicht möglich", sagte ich. "Dann ist das hier ja Sodom oder Die Schule der Ausschweifungen?"

"Die Hochschule..."

Laabs lehnte sich zurück, gegen den Tresen, und ich winkte mir sein Grinsen noch einmal auf Flüsterweite heran.

"Du kannst mir am Arsch lecken, Kollege!"

Laabs hüstelte, stellte sich gerade und zog sein Jackett straff.

"Das erledigt bei uns Erik, Doktor Markow! Und Erik können Sie selbstverständlich haben, aber momentan ist er noch beschäftigt."

"Gut, das war gut", sagte ich erschrocken.

Es gab unter den Anzug-Typen eben auch Werwölfe, und wer so schnell umschalten und zurückbeißen konnte, war ein Werwolf.

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