13.

„Marlowe, Micha“, zirpte Doris. „Alles okay! Beate ist in die Schule, und ich war einkaufen und habe alles mitgebracht! Wirklich alles, wenn du verstehst“

„Ich verstehe, was du meinst! Aber warum du dich so anstrengst, die Hure zu spielen verstehe ich nicht!“

Ich gähnte Doris angestrengt ins bunte Gesicht und reckte mich, bevor ich mich auf die Seite drehte und wieder die Augen schloß.

„Der Professor steht darauf“, sagte Doris mit völlig normaler Stimme.

„Haase hat Zeit seines Arbeitslebens bleiche und stumme Patienten gehabt. Vielleicht mag er es deshalb bunt und laut. Vielleicht mußt du ihm auch die Hure machen, weil er denkt, nur eine Hure würde ihn heiraten...“

Ich träumte ziemlich heiß, und wenn ich halbwegs aufgewacht war, hörte ich mich wieder John Lennon singen:

„Den Platz an der Sonne, den halten sie gern
Für dich frei doch zuerst mußt du lern’n 
Beim Töten zu lächeln, gerade wie sie...
A working class hero is something to be!“

In der ersten Reihe saß Margit, die eine Tochter in Beates Alter und eine ABM-Stelle als Sonntagshure hatte, und als ich trotzdem ihre Hand nahm, tauchte der Hilfssheriff auf und hielt mir einen Steckbrief vor die Augen.

„Geronimo“,
gab ich ihm Bescheid,
„Geronimo;
Letzter Häuptling der Apachen im Nirgendwo!
Komm küsse uns, komm schieße uns
Heraus aus diesem Menschenzoo!“

Hinter dem Hilfssheriff tauchte ein Türke mit Bä renfell-Mütze auf, und um den Hals hatte er zwei Ketten mit Schrumpfkopf-Anhängern: Beate Markow und Liane Huber. In der Hand hielt er ein goldenes Erich-Mielke-Denkmal, und damit schlug er mir ein Dutzend Mal gegen die linke Schläfe.

„Ich habe deine Unterhosen gewaschen, das Krankenhaus angerufen und ein neues Fenster bestellt“, sagte Doris. „Darf ich jetzt mal an deinen Computer?“

„Du hast... Du hast ein Fenster bestellt? Oh, Gott! Wie soll ich das denn bezahlen?“ Ich setzte mich auf. „Och, lieber ‘n Liter Whisky als ein Liter Sekt!“

„Und was ist mit dem Computer?“

„Den wasche bloß nicht“, sagte ich. „Corel Draw, ROSIE.CDR ist was, was gleich in zwei von deinen Fächern fällt. Ich gehe duschen!“

„Machst du jetzt ‘n Puff auf“, begrüßte mich Meister, obwohl gerade eine blinde Karierre-Frau in seinem Jeep probesaß.

„Wenn ich auch die Mädchen duschen schicken darf!“

„Kannst klingeln! Meine Frau ist da. Aber engagiere die nicht auch noch!“

„Und danke für den Manta“, gab ich ihm eine Benefiz-Vorstellung. „Mein Schwager überlegt sich schon, ob er ihn für das Doppelte nicht doch weiterverkaufen sollte!“

Meister grinste verlegen, aber ich stand noch unter seiner Dusche, als er in die Wohnung und gleich in das Geschäfts-Badezimmer gestolpert kam.

„Markow! Markow, du Aas! Du bist ein Verkaufsgenie! Die hat den Jeep genommen, die blöde Kuh!“

„Sonnabend der Manta, heute der Jeep“ sagte ich. „Allmählich ist das Waschwasser bezahlt und ‘ne Provision fällig, nicht?“

„Aber nun mal ehrlich“, sagte Meister. „Du hast doch nicht wirklich was mit deiner Tochter, hm?“

„Mit welcher Tochter?“

„Mensch, ich lese doch Zeitung!“

„Aber welche Zeitungen! Und traust du mir das zu? Immerhin könnte ich ja ihr Vater sein!“

„Aber gespielt war das gut“, sagte Meister und atmete tief durch. „So gut wie die Sache eben! Und ich hätte dich abgeknallt, sonst!“

Wieder drehte ich zuerst das warme Wasser ab. Ich haßte kalte Duschen, aber ich kam eben nur selten ohne in der Wirklichkeit an.

„Abgeknallt hättest du mich? Womit denn?“

„Immerhin bin ich auch ein internationaler Gebrauchtwagenhändler.“

Ich pfiff durch die Zähne. „Daimlers nach Polen?“

„Trabbis, leider nur Trabbis“, seufzte Meister. „Dafür aber weiter weg... Und manche Interessenten haben einfach kein Geld...“

„Aber Atomraketen“, riet ich. „29er MiGs, Kalaschnikows und  Makarows!“

„Falls du also was brauchst... Bei deinem Job, bei deinen Besuchern...“

„Kostenpunkt?“

Bevor er lange überlegen konnte, stieg ich aus der Duschwanne. Auge in Auge mit mir würde ihm erheblich schwerer fallen, den Geschäftsmann zu spielen.

„Du hältst unter allen Umständen das Maul“, sagte Meister. „Ist das fair? Und ich stell dir bei Gelegenheit mal wieder ‘n Manta unter’s Fenster, okay? Also: Helga macht dir’n Kaffee, und ich hole Apfelmus!“

Meister hatte seine Rüstkammer wohl in einem der Keller und unter Kohlehaufen, denn es dauerte länger als eine Viertelstunde, bis er verdreckt zurückkam und seine Frau ins Verkaufsbüro schickte. Dann ging er noch einmal in den Korridor und brachte eine große Gurkenbüchse mit.

„Weißt du, wie es geht?“

„Jahrelang Mauerschütze gewesen... Danke!“

Ich hatte wirklich nicht vor, nun bei jeder Gelegenheit mit einer echten Waffe herumzufuchteln, aber schon eine halbe Treppe tiefer stank es aus meinem Wohnbüro. Die Wohnungstür war eindeutig eingetreten. Darum holte ich die Pistole doch aus der Büchse und gleich noch aus der Ledertasche. Erst dann drückte ich gegen die Tür und warf die Gurkenbüchse bis ins erste Zimmer. Weder sprang ein Gangster aus dem Fenster noch wollte einer an mir vorbei, und so mußte ich wohl oder übel hinein.

„Dolly“, rief ich.

„Kannst kommen“, rief Doris weinerlich. „Aber hier rein komme lieber nicht!“

Zuerst wollte ich sowieso in die Küche, wo in vier Töpfen meine Unterhosen, Socken und was wußte ich noch alles verschmorten. Ich drehte das Gas ab und riß das Fenster auf, und dann mußte ich natürlich ins Kram-Zimmer.

Durch die Tür sah ich keine nennenswert vergrößerte Unordnung, aber als ich auf den Computer sehen konnte, drehte sich mir vor Wut der Magen um. Der Monitor war eingeschlagen, an dem gedrehten Kabel hing nur noch die Hälfte der Tastatur vom Tisch, und neben dem Tisch kauerte Doris, beide Hände vor dem Gesicht.

Ich kniete mich vor Doris hin, strich ihr mit dem Pistolengriff über die Haare und bog dann ihre Arme nach unten. Ihr rechtes Auge war zugeschwollen und die Lippen waren gleich mehrfach aufgeplatzt.

„Lach nur“, lachte Doris ein bißchen irre. „‘ne Hure vergewaltigen, das ist doch echt komisch! Und ausgelacht haben die mich, weil ich dafür um deine Scheiß-Gummis gebettelt habe!“

„Und du sollst mir was ausrichten, ja?“

„Wenn dir der Opa und deine Frau nicht reichen... Die haben mich für deine Frau gehalten, Markow! ...also dann darfst du ruhig weiterschnüffeln! Dann...“

„Dann?“

„Das weißt du doch! Nh gerne, aber...“

„Scheiße, Scheiße, Scha, dann finden sie zehn Neger für Beate... Und ein Fenster...“ Doris fing an zu heulen, und sie wackelte wie eine kaputte Spielzeugpuppe mit dem Kopf. „Und ich wollte heute Nachmittag zum Professor, verdammt!“

Ich hob Dorisuceiße“, zischte Doris. „Vom Professor sollte ich dir auch was ausrichten, und das war: kein Telefo auf und trug sie zum Sofa, deckte sie zu und ging dann Eiswürfel holen, für ihr Auge und für einen Whisky. Ich klemmte mich auf die Kante des Sofas, so daß ich ihren Kopf in der rechten Ellenbeuge hatte und mit der Hand ihre zerkratzte Schulter streicheln konnte. Mit der linken Hand angelte ich das Telefon.

„Was... Was machst du denn jetzt?“

„Na, ich rufe die Bullen an! Die werden zwar mich vergewaltigen, um endlich rauszukriegen, woran ich arbeite...

Und ich wüßte das an, keine Bullen! Und daß der Mercedes, du wüßtest schon, in irgendeinem Nest gekauft worden ist...“

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