27.

Ich war noch einmal um den Block gefahren und bei Meister gewesen, weil ich die Pistole selbst nicht gefunden hatte. Sie steckte im Polster des Beifahrer-Sitzes, der ordentlich, aber nur mit einem dünnen Faden vernäht war. Jedenfalls erzählte Meister das, und ich müßte ihm als Gebrauchtwagenhändler das einfach mal glauben. Außerdem hatte er den Golf tatsächlich losbekommen und versprach mir deshalb, Beate als alleinstehende Tochter sowie als Waise nach bestem Wissen und Gewissen zu unterstützen...

Meister war also nichts für einen Vergleich mit seinem Kollegen Krause, der mir als erster und einziger Vlauwitzer vor den Kühler lief.

"Herr Doktor Markow! Schön, Sie zu sehen! Und? Haben Sie Ihre Frau Gemahlin schon soweit?"

"Sie würde lieber für'n deutsches Auto getauscht werden", spaßte ich mit, obwohl der Verdacht an sich ja nicht zum Lachen war. "Und Sie müssen ja 'n riesiges Schlafzimmer haben, Hochwürden!"

"Aber im Ernst: der Terrano ist besser, wenn Sie jetzt öfter und länger hier sind!"

"Bin ich das denn?"

Ich tätschelte den Beifahrersitz, nahm aber beim Aussteigen nur die Zigarettenschachtel und das Feuerzeug mit. Krause faßte gierig nach der Zigarette und grinste obszön.

"Unsere Bürgermeisterin hat ein besitzergreifendes Wesen... Sie war Kellnerin in der Völkerfreundschaft, nach der Wende sogar oben ohne, und nun ist das Ihr Deutscher Hof... Und kennen Sie Erik schon?"

"Den Herrn Bürgermeister? Nur vom Zusehen..."

"Der war im Nachbardorf Sportlehrer, bis er unserer verehrten und frei gewählten Fau Bürgermeisterin gefiel. Und nun hat sie uns im Gemeinderat, ich bin im Gemeinderat, erklärt, daß Sie ihr gefielen... Daß Sie schon zum Wohl der Gemeinde arbeiten..."

"Soll ich mir jetzt in die Hose machen? Oder was wollen Sie?"

Krause grinste genügend lange, um wieder unverbindlicher anfangen zu können. "Na, den Passat doch! Und zum Wertausgleich die Frau Gemahlin..."

"Überredet", sagte ich. "Roh oder paniert?"

Ich holte die Reisetasche aus dem Laderaum, nickte Krause zu und steuerte die Bordelltür des Deutschen Hofes an. Es war die Stunde zwischen Hund und Katze, zwischen Rentnerfängern und Mädchenhändlern, und Gabriele Herrmann würde schon dabei sein, sich in die Bardame Gabriela zu verwandeln.

An der Bar lümmelten außer dem Schweinekastrierer zwei weitere männliche Azubis, die versuchten, Edzard Laabs aus Wuppertal ähnlich zu sehen, und ihre Zahl und das Grinsen brachten mich auf Doris. Der biblische Raufbold hatte zweihundert liefern müssen, um die Königstochter heiraten zu können, aber einer Hure hätten sicher die abgeschnittenen Schwänze der Drei als Brautpreis genügt.

"Erik", rief die Türsteher-Stimme in das Dreiviertel-Dunkel des Barraums. "Mach dein Bett frei für den Neuen!"

Statt des Sportlehrers tauchte die Mulatttin im Leoparden-Look auf, um gleich wieder zu verschwinden, und nach zwei, drei Minuten scheuchte Gabrieles Erscheinen das Terror-Trio auf seine Stammplätze. Genau vor meinen Stammhocker stellte Gabriele ein Whiskyglas auf den Tresen.

"Schön, daß Sie uns näher kennenlernen wollen! Aber bei Krause versuchen Sie ?s lieber nicht! Der ist ein Schwätzer."

"Ein Auto-Aufschwatzer, ja. Andererseits..." Ich nahm einen Schluck und setzte mich erst dann. "Er will für einen Jeep nichts als meine Frau. Da ist doch logisch, daß ich vorsichtig bin..."

"Und daß Sie lieber ohne Ihre Frau kommen..."

"Weil mit dem Auto ja was nicht stimmen kann! Ich laß mich doch nicht umsonst scheiden... Oh, das sagen hier bestimmt alle, sorry!"

"Das ist hier absolut nicht nötig! Auch Paare sind hier gern gesehen. Hier, oben und unten..."

Gabriele gab mir ihren Hausschlüssel, damit ich meine Tasche ins Gästezimmer bringen konnte, und ich stellte mich unter die Gästedusche und zog dann das fast jeansfarbene Geschäftskostüm an. Es ging auf zehn, als ich wieder auf der Dorfstraße war, und es war noch leidlich hell, aber wieder war ich der einzige, der in ganz Vlauwitz unterwegs war. Der Parkplatz vor dem Deutschen Hof war allerdings schon reichlich besetzt, und als ich an den drei Türstehern vorbei war, rückten mir nur zwei Mädchen auf den Anzug. Das eine war die Letzte Kaiserin, und das andere konnte selbst dann nicht die Witwe meines ersten Klienten sein, wenn Gabriele im Keller eine Streck-Folterbank hatte. Diese Hure war etwa so lang wie ich, aber bestimmt nicht weniger rund, und ihr Gesicht hatte selbst beim Lippenlecken etwas Bösartiges.

Trotz dieses Gesichtes schenkte ich ihr ein bedauerndes Schulterzucken, und die beiden folgten meinem Blick, bis sie Doktor Heike Henrich sahen und verstanden.

"Du bist ja ein seltenes Vorbild an vorehelicher Treue", begrüßte mich Heike. "Ich freue mich echt, dich schon wieder im Puff zu sehen!"

"Nur an vorehelicher Treue", stieg ich mit falschem Seufzen ein, während ich auf den Barhocker kletterte, und damit hatten wir bereits das Thema bis zum Beginn der Show.

Bei Heike war allerdings der Ehemann der geschäftstüchtigere Teil der Ehe. Nachdem schon das Haus gekauft und auch seine Zahnarzt-Praxis eingerichtet gewesen war, hatte er eine Steuerberaterin getroffen, die ihm die Vorteile der großstädtischen Gebißsanierung in Hunderten und Pfennigen ausgerechnet hatte. Daneben hatte sie ihm versprochen, ihm beim Anbohren ihrer Kreise zu helfen, und sie war eine Steuerberaterin, die meine ganze Sympathie hatte. Es war angenehm, neben Heike zu sitzen und eine Show anzusehen, die meiner Eheanbahnerin Hannelore die für Onkel Rolf golden lackierten Zehennägel aufgerollt hätte.

"Verehrte Damen und Herren! Nach unserer nächsten Nummer kommt nichts mehr!" Laabs senkte die Stimme und flüsterte. "Das liegt nicht an den Mitwirkenden der Show und nicht an der frühen Stunde. Es liegt allein an ihr! Erleben Sie nun: die Nackte Lust!"

Der Vorhang gab eine total dunkle Bühne frei, und dann zuckte zu Beethovens Schicksalsschlägen grelles Licht über die Bühne. Es war punktgenau gezielt, und erst als das Computer-Schlagzeug den Rhythmus beschleunigte, zeigte das bläuliche und rötliche Licht Teile einer sich windenden Frau. Es sah aus, als peitschte das Licht ihren Körper, und dann flammten immer wieder die Ballonbrüste des schwarzen Würfels auf. Als der Hintergrund langsam aufhellte, wurde Gabrieles Muskelmann sichtbar, und er schwang eine langzungige Peitsche gegen die von schweren Ketten gekreuzigte Miß Skinhead.

Ich stöhnte wie wohl die meisten Zuschauer, und sofort nahm die Musik diese Stimmung auf. Zu indischer Meditationsmusik öffnete Erik die Fesseln der Nackten Lust und nahm ihr den Maulkorb ab, und die Frau kniete sich an den Bühnenrand, um ihre Brüste mit allen in der Kiste studierten männlichen Aufmerksamkeiten zu bedenken. Sie knetete sich, zog Lederschlingen zusammen und verknotete sie, und nach jeder Übung leckte sie sich und saugte sie sich an den Zitzen.

"Würdest du das auch", flüsterte ich Heike zu, "wenn du es könntest?"

Heike wackelte unschlüssig mit dem Kopf. "Dazu muß man sich ein bißchen hassen, glaube ich. Und ich finde mich schön, irgendwie. Doch..."

"Sicher bist du schön, aber... Aber dann würde ich dir das gern machen..."

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