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“Beim Essen müßtet ihr ihn sehen”, sagte Großvater Adolf Ackermann stolz. “Da erübrigt sich die Frage nach der sozialen Herkunft, da ist er gierig wie die Karrikatur-Kapitalisten.” Er goß Großvater Bartolomäus Uhlmann und Tills Vater die Gläschen wieder randvoll Wodka und grinste. Die uneheliche Schwellung seiner jüngeren Tochter war ihm der fleischwerdende Verfall seiner Klasse gewesen, aber seit er mitbekommen hatte, daß der Klassenmischling dem Volkspolizisten noch peinlicher war, hätte er für Klein-Till die Seele und sogar die Firma verkaufen mögen. “Und davon kann keine Rede sein, daß ich den Schreihals vor die Tür setze, aber auch im Sozialismus braucht ein Kind einen Vater. Oder?” “So wollen ‘s jedenfalls der Herrgott und der Anstand”, bestätigte Großvater Bartolomäus und kippte seinen Schnaps. Er schmatzte auf Bauernart nach. “Und daheim in Schlesien, sag ich meinem immer, wäre das gar nicht erst soweit gekommen. Hätt’n wir das geahnt, Adolf, wär’n wir diesem Österreicher doch nie nachgerannt. Das hat ja aber man keiner...” “Vater”, erinnerte ihn der Volkspolizist. “Die Kommunisten haben schon dreiunddreißig...” “Und wir Kapitalisten auch”, ergänzte Großvater Adolf. “Mein alter Herr selig hat von Anfang an gesagt: Papageien verstehen nix vom Geschft, ob sie nun rot oder braun gefiedert sind, tja.” “Über Till wollten wir doch reden...” Tills Mutter nippte nur am Kirschlikör, mitten zwischen zwei Stillzeiten. “Über die Hochzeit...” Großvater Adolf schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. “Jetzt soll ich mir den Mund verbieten lassen? Im eigenen Haus und von der eigenen Tochter? Ich, ich habe selbst meinem Bruder in seiner schwarzen Uniform ‘sagt...” Wenn er bemerkte, daß der erhoffte Schwiegersohn bleich wurde, überspielte er das zumindest gut. “Schon zur Zeit der Kreuzzüge haben Kreuzzüge nur Ärger gebracht, hab ich ihm ‘sagt, und daß schon unser alter Herr ‘warnt hat: kackebraune Partei und Sanitärkeramik gehn nicht zusamm’. Und um Rußland zum Wasserklo zu bekehren, sag ich, sind die Firmen Ackeramnn und Großdeutschland sogar zusamm’ zu klein. Bis ans Ende meiner Tage bade ich in meinen Klosetts, sag ich weiter, wenn das anders ausgeht, als daß der Bolschewik am Schluß die Klobecken am Firmentor abholt. Und das habe ich ihm Sommer einundvierzig ‘sagt, Schwiegersohn, als du Jungkommunist noch Hitlerjunge warst.” “Noch nicht mal”, berichtigte Großvater Bartolomäus. “Vater, nein”, wimmerte Tills Mutter. “Hartmutchen ist fort”, kreischte Tante Adelheid. “Daß einem die Kinder wegrennen, nur das kommt bei eurer Politik raus!” Nachdem er die Tür offen und Till wach gefunden hatte, hatte Vetter Hartmut nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Er wußte bereits genau, daß Babies Milch tranken, daß Vollmilchschokolade aus Milch gemacht wurde, und daß Westberliner Vollmilchschokolade das Allerköstlichste war. Daß gerade eine bessere Familie zusammenhalten mußte, hatte er auch schon gehört, und so wollte er von seinem Allerköstlichsten abgeben. Er stopfte Till Schokoladenstückchen in den schnappenden Mund, und immer wenn der zahnlose Winzling das braune Glück wieder ausspuckte, teilte Vetter Harmut es ein weiteres Mal und schob es wieder ein. Allmählich wurde der braune Klumpen weich, und Vetter Hartmut fütterte selbstlos nach, und irgendwann hätte Till den Klumpen nur noch schlucken können. “Hartmutchen”, rief Tante Adelheid aus der Diele. Sie hatte eine Suche nach dem Kind angeregt und war aus Angst um ihren Sohn zornig. “Hartmut!” Vetter Hartmut hielt für einen Augenblick in seiner Fürsorge ein, und Till konnte den Schrei tun, der ihm das Leben rettete.
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