Der General hatte wieder geträumt, den Traum seiner Kurnächte und Schlaftherapien, und mit jedem Tag, den die Ärzte ihn mit Sauerstoff aufgepumpt hatten, war dieser Traum schärfer geworden. Der General hatte während der ganzen Runderneuerung nicht herausgefunden, ob man ihn nicht doch heimlich mit Frischzellen von ausländischen Lämmern oder lebensuntüchtigen Babies impfte. Des geträumten Tages aber war er sich sicher gewesen. Das war der 23. Juli 1973, und in diesem Traum waren der General ein Präsident und der Oberstleutnant sein General Fritz “Sugar” Sakharow gewesen.

Erst nachdem Trompetensignale in alle vier Himmelsrichtungen den Königen der Welt kundgetan hatten, daß nach  dem König der Könige auch sie frühstücken durften, war den Erlauchtesten Gästen serviert worden.

“Nur das Nötigste Fritz”, drängte der Präsident. Er aß hastig, ohne ausreichend zu kauen, und er hatte sich tief über den Tisch gebeugt, um unter den Palmwedeln hervor durch das wandhohe Fenster ehen zu können. “Er füttert schon seine Löwen, und es wäre so unhöflich wie weltpolitisch schädlich, sein Geburtstagsbad zu versäumen.”

“Er täte besser daran, die Leute in den Dürreprovinzen zu füttern! Na, nicht mal wir könnten genug Gitter liefern, wenn die auf die Idee kämen, ihn zu fressen!” Fritz “Sugar” Sakharow belächelte das für einen Moment käsige Gesicht des Präsidenten. Dann löffelte er roten Kaviar auf den Hirsefladen und rollte das Gebäck. “Nein, schon gut! Ich habe mit dem Residenten der CIA und mit General Teferi Bente gesprochen: daß das gerade heute passiert, halten beide für ziemlich ausgeschlossen.” Er trank einen Schluck des starken, süßen Kaffees. “Wußten Sie übrigens, daß wir hier im Ursprungsland des Kaffees sind?”

“Ich weiß wie ungesund dieser Absud aus verbannten giftigen Beeren ist”, sagte der Präsident, leerte sein Glas Milch und erhob sich. “Können wir?”

“Dagegen nährt Frauenmilch ungeheuer”, nuschelte Fritz “Sugar” Sakharow, ohne Eile. “Das glaube ich zwar nicht, aber der Kollege vom CIA schwört, daß unser Gastgeber einen ganzen Kuhstall voller schwarzer Weiber hat.” Er biß in den gerollten Fladen und pickte die herausgerutschten Kaviar-Kugeln mit den Fingerspitzen von der polierten Marmorplatte.

“Jaja”, kleffte der Präsident und ließ sich noch einmal in den Sessel fallen. “Und von Idi Amin behauptet der CIA, daß er sich die Steaks aus seinen Negern schneidet und Analphabet ist! Ein Generalmajor und Staatspräsident!”

“Also erstens behauptet das auch die internationale Presse... Zweitens bevorzugt er für die Steaks Negerinnen, weil Männerfleisch zäher ist und herber schmeckt, und drittens habe ich bei unserem Besuch auf seinem Landsitz mal in den Gefrierschrank gesehen.”

“Das heißt...” Der Präsident faßte sich an den Hals, als säßen sie noch bei der Gartenparty unter ugandischen Palmen. Nur langsam pumpte er sich für das zweite Aufstehen auf. “Immerhin sind wir hier in einem christlichen Land, nicht?”

Fritz “Sugar” Sakharow folgte seinem Chef grinsend in den Palastgarten Debre Sait.

Haile Selassie fütterte inzwischen die Schoßhündchen, und dabei erinnerte er an einen großen weißen Schmetterling. Hatte er in die natürlich goldenen Schüsseln gefaßt und streute er die Filethäppchen breit, wehten die weiten Ärmel des Gewandes wie Flügel. Der Kaiser wischte sich die Hände nicht ab, aber er trat  hinter den Schüsseln hervor und kam den Erlauchtesten Gästen sogar noch zwei Schritte hervor.

"Mister President, General”, grüßte Haile Selassie mit brüchiger Stimme. “Wir, Auserwählter Gottes, können unsere Freunde unter Milliarden Menschen wählen, doch zu Euch hat Uns Gott selbst geraten. Habt Ihr so gut geruht wie Wir?”

“Das wäre uns unwürdig erschienen! Wir haben uns die Köpfe zerbrochen, womit wir diesen Tag Eurer Geburt würdigen könnten”, schmeichelte der Präsident zurück und winkte, damit ihm Fritz “Sugar” Sakharow den Diplomatenkoffer reichte. “Und  wir haben etwas...”

“...Euch Würdiges nicht finden können!” Fritz “Sugar” Sakharow klappte den Deckel des Koffers auf. “Aber vielleicht... Eine sehr alte Seite aus Platons Hauptwerk ‘Der Staat’, einem der absoluten Menschheits-Werke!”

“Fast das Original”, sagte der Präsident eifersüchtig und streichelte die Glasplatte über dem halb zerfallenen Papyros. “Ohne Zweifel aus der Kopieranstalt der berühmten Platonischen Akademie, 380 vor Christus!”

“Gold”, stellte Haile Selassie fest und befingerte den breiten Rahmen. Er steckte den Kopf halb in den Koffer und beklopfte das Metall mit dem Knöchel des Zeigefingers. “Tatsächlich massives Gold! Ihr solltet, teure Freunde, dieses Geschenk nicht einmal mit Worten verkleinern!”

Der Kaiser wackelte einladend mit dem Kopf und watschelte auf das Haus am See zu, in dem sie sich umziehen würden. Zwei Diener führten die Hunde beiseite, als seien es nahe Verwandte des Herrschers, und ein Adjutant für den Transport des Geschenks hatte ebenfalls hinter der niedrigen Treppenmauer in Bereitschaft gekauert.

“Die Welt glaubt, mir sei die Lage in den Hungerprovinzen unbekannt oder gar gleichgültig”, klagte Haile Selassie plötzlich und faßte den Anzugärmel des Präsidenten. “Dabei sind Wir, Auserwählter Gottes, ausgefüllt vom Kampf gegen Besitzgier und Unbildung. Stellt Euch vor! Ich schenke meinen Enkeln vor zwei Wochen diese weißen deutschen Autos, extra sehr bescheidene... Da will doch mein Urenekl, ein niedliches Äffchen von sechs Jahren auch eins! Oder nehmt die Rückständigkeit und den Aberglauben Unserer Untertanen, Wir müßten nicht wie jeder gewöhnlicher Mensch Unser wasser lassen! Leider muß ich das, und es bereitet mir immer öfter Schmerzen. Nein, ich weiß, daß diese Lasten zu schwer für meine Schultern sind, und ich weiß nicht, warum Wir, Auserwählter Gottes, sie dennoch weiter tragen.”

“Weil die Besten weder des Geldes noch der Ehre wegen regieren, sondern einzig in Furcht vor der größten Strafe”, zitierte der Präsident seinen Lieblingsaphorismus. “Die größte Strafe aber ist, von Schlechteren regiert werden, wenn einer nicht selbst regieren will.”

“Aber nun wird Euch das Bad für die nächsten 365 Tage den Rücken stärken”, ergänzte Fritz “Sugar” Sakharow, grinste und übertrieb die Speichelleckerei ins Absurde. “Und es wird dem Löwen von Juda den kaiserlichen Harnleiter geschmeidig machen...”

Auch an diesem Morgen geschah nichts, was die nahe Katastrophe ankündigte. Als der Kaiser, nur noch mit einem Lendenschurz bekleidet, aus dem Gartenhäuschen auf die Treppe in den See trat, schob sich das Boot des Schamanen aus dem Dunst vor dem gegenüberliegenden Ufer. 

Der Zauberer stakte es eigenhändig näher, und wie große polierte Statuen standen am Bug zwei muselmanische Jungfrauen: hochgewachsen, splitternackt und pechschwarz. In der noch niedrigen Sonne leuchteten und schimmerten ihre Leiber so, daß jeder Mann nach den beiden Mädchen verlangen mußte, nach denen der Teufel verlangte, der diesen See der Kraft und Jugend bewachte. Als das Boot die Treppe berührte, warfen sich die Mädchen auf die Bäuche und gelobten dem Vater Äthiopiens jeden Dienst.

Haile Selassie nickte gnädig, und der Schamane bückte sich und durchschnitt die Hälse der Mädchen bis an die Knochen. Dann stakte er langsam das Boot zurück, und in der Blutspur schritt der Einundachtzigjährige in sein Verjüngungsbad. Er planschte wie ein glückliches Kind, tauchte unter, trank vom Wasser und überließ den See dann den Erlauchtesten Gästen...

“Mengistu”, fluchte der General, starrte dem Oberstleutnant ins Gesicht und kam zu dem Ergebnis, daß er wohl doch nur zum Frühstück geweckt worden war.  “Mengistu! Dieser  Bluthund, der seinem Herrn an die Kehle gesprungen ist! Das bedenke doch mal, Fritz! Der Kaiser, Auserwählter Gottes und König der Könige, auf der Hinterbank eines weißen VW! Zwei Soldaten neben sich!” 

“Hart und eng für jemanden mit sovielen Titeln, ja!” Der Oberstleutnant warf dem General den bordeauxroten Bademantel auf das Bett. “Aber wach sind wir eben mit Mengistu verbündet, und zweitens hat dieser verehrte Genosse kaum mehr schuld als der Taxifahrer, der den neuen Benzinpreis nicht bezahlt hat. Ist durch die Stadt gehüpft und hat vom Jüngsten Gericht gesungen...”

Seit sie im selben Gespann gingen, hatte der Oberstleutnant dem General aus Bett oder Sessel aufhelfen müssen. Er hatte ihm die Schuhe angezogen, ihn in Bademäntel, Freizeit-Jacken oder Uniformen gezwängt und ihn bei den meisten Gängen gestützt, und so blieb er auch an diesem Morgen im Zimmer. Nicht, daß er der Runderneuerung des Generals mißtraute, die er selbst verlangt und ausgesucht hatte. Es hätte einfach ein Wunder im Wunder bedeutet, wäre der General völlig wiederhergestellt und noch einmal selbständig geworden.

“Sogar ich, sogar ein Apparat wie unserer könnte nur Druckereien zerschlagen, ganze ZKs infiltrieren und halbe Parteien einbuchten”, plauderte der Oberstleutnant, um sein Lauern zu tarnen. “Nicht mal mit allen Tschekisten und allen Kampfgruppen zusammen könnten wir alle Taxifahrer und Studenten neutralisieren oder nur beschat­ten.”

“Eine Art nur”, widersprach der General umständlich und band den Bademantel-Gürtel eigenhändig, “aber immerhin eine Art Philosoph auf dem Thron.”

“Sogar ich, sogar ein Apparat wie unserer könnte nur Druckereien zerschlagen, ganze ZKs infiltrieren und halbe Parteien einbuchten”, plauderte der Oberstleutnant, um sein Lauern zu tarnen. “Nicht mal mit allen Tschekisten und allen Kampfgruppen zusammen könnten wir alle Taxifahrer und Studenten eutralisieren oder nur beschatten.”

“Eine Art nur”, widersprach der General umständlich und band den Bademantel-Gürtel eigenhändig, “aber immerhin eine Art Philosoph auf dem Thron.”

“Ein Märchenkönig, den man mit dem VW ins Märchenbuch abgefahren hat...” Um das Gespräch wirklich anders zu richten, klinkte der Oberstleutnant die Tür zum Stabs-Speiseraum auf. “Zweimal Frühstück! Und Kaffee für vier!”

Der General machte einen Schritt auf die Zür zu. “No, njet! Zwei Eier im Glas für mich! Und ein Glas Orangensaft!”

Weil die Kurpfuscher ihn natürlich nur von einem biblisch alten Walfisch zu einem fetten alten Mann verjüngt hatten, tappte er nach dieser Anstrengung auf das Sofa zu. Die Chrom-Leder-Konstruktion stöhnte unter dem Aufprall seines Gewichts.

“Vorkommnisse, Fritz?”

“Nur Veränderungen, Genosse General! Aber Veränderungen zum Positiven.”

Der Oberstleutnant raffte schnell die Ziehharmonika des Computerausdrucks vom Sessel.

“Toffel hat uns den Rechner so programmiert, daß er so ähnlich wie ein menschliches Gehirn funktioniert. Nun liest er seit vierzehn Tagen philosophische und politische Literatur, Memoiren und Zeitungen, und vermerkt die Parallelen.”

“Und das Ergebnis?”

“Tja... Ergeben hat sich eine ideale Übereinstimmung zwischen den Geboten der platonischen Staatslehre und den Prozeßaussagen Adolf Eichmanns”, sagte der Oberstleutnant höhnisch und faltete das Papier auseinander. Die übereinstimmenden Codezahlen waren rot eingekreist. “Annähernd stimmen auch Platon und Nero, Philipp der Zweite und last not least Joseph Stalin...”

Der General hustete ärgerlich. “Das weiß... Das wagt heute doch jeder Student, in seine Jahresarbeit zu schreiben. Und für diese Banalitäten diese Menge Devisen? Oder wozu?”

“Wir wollen zu einem mathematischen Modell der Seelenwanderung, der Reinkarnation kommen...” Der Oberstleutnant riß die letzten drei Papierlagen ab, die unterschriftsreife Order von Prozessoren, Sensoren und Elektroden. “Zu einem Modell, das man direkt und planvoll nutzen kann, und wir werden so in die Gedanken der Menschen eindringen, daß wir ihr zukünftiges Handeln simulieren können...”

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Commune; Geil;
Knutschen; Kapital;
Kamel; Frühling;
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Magenkrebs; Nele;
Königin; Grieche;
Elefant; Robin Hood;
Woman; Mordsleute;
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Leopard; Senf;
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Hunde; Lamme;
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Linke; Das Recht;
Miststück; Sartre;
Genosse; Libre;
Nebuk...; Chesus;
Lennon; Dr. Schwarz;
Towarisch; Afrika;