Barrientos hatte damit gerechnet. Seit er im Amt war, hatte er immer mit irgendwelchen Sturmläufen zu rechnen, mit denen der Soldaten der Landstreitkräfte oder denen der Bergleute. Bis in den September hinein hatte er auch mit dem Klopfen dieser anderen Art Stiefel rechnen müssen: Hecho en Cuba. Und nun, nachdem er dieser einen Sorge ledig war, hätte er auf die zivilen, aber eiligen Schritten eines unaufhaltsamen älteren Mannes wetten sollen. Natürlich hätte Barrientos seinen Leibwächtern befehlen können, diesen oder jeden Besucher abzuweisen oder zu erschießen, aber dadurch hätte er den einzigen treuen Gorilla und einzigen wahren Freund verloren.  Manchmal war der Präsident so sentimental, auch einen Freund, der ungelegen kam und Ungelegenheiten machen wollte, weiter als Freund anzusehen. Die Saaltür flog auf.

“Er ist es”, sagte Fritz “Sugar” Sakharow statt eines Grußes. Er ging zur Amtszimmer-Bar, schaufelte ein Glas halbvoll Eis und goß lächerlich wenig Whisky darauf. “Er ist es, und er hat zwei Löcher im Bein, eins in der Schulter. Wird künftig ganz schön humpeln, die Legende.”

Barrientos verschluckte sich am Qualm der Zigarre, hustete wie ein rauchvergiftetes Kind und rettete sich in ein krächzendes, gehässiges Lachen. “Hast du wirklich ‚künftig‘ und ‚humpeln‘ gesagt, Frederico? Mensch, Fritz, Seelen flattern doch!” Er wedelte mit den fett gewordenen Händen.

“Seelen schon.” Fritz “Sugar” Sakharow schätzte ab, daß das Kondenswasser einen häßlichen Fleck auf dem Edelholz hinterlassen würde und stellte sein Glas mitten auf den höchsten Schreibtisch Boliviens. “Gerade weil Seelen fliegen, schnell wie das Licht, unfaßbar, über Grenzen und Ozeane und Anden, muß er humpeln. Morgen, zu seinem fünfzigsten Geburtstag und, so Gott will, auch noch auf dem Staatsakt zu seinem achtzigsten Geburtstag.” Fritz “Sugar” Sakharow stemmte die Fäuste auf den Tisch. “So Gott will, nicht du! Verstehen wir uns?”

“Ich bin der Präsident eines souveränen Staates”, begehrte Barrientos auf, packte seine Hände gegenüber Sakharows Händen und stemmte sich aus dem Präsidentensessel hoch. “Und mir, mir wollte dieses bärtige Vieh an die Kehle! Außerdem habe ich das mit dem Militärattaché und dem Residenten der CIA...”

“Ja, ja! Ich kenne deine Absprachen, das ganze Szenarium der Schrumpfköpfe...”

“Nicht einmal einen kurzen Prozeß darf er kriegen, ja. Für die Welt wird er an der Verwundung im Kampf gestorben sein, und die Legende wird an einer Bearbeitung seines Tagebuchs sterben! Und? Hast du mit dem Bluthund, dem Blutsäufer, gesprochen?”

Fritz “Sugar” Sakharow gab den Schreibtisch auf. Er schlurfte zur Balkontür, öffnete den rechten Flügel und schielte auf den dämmerigen Platz, freilich von der Wand gedeckt.

“Ich bin doch nicht lebensmüde! Keiner, der ihn gejagt und der ihn getroffen hat, wird die nächsten fünf Jahre überleben, Presidente.”

Von der Laterne vor dem Staatsbalkon war nur der gabelförmige obere Teil zu sehen, über den wieder einmal und schon bald ein Seil gleiten würde, gezogen vom halben Land. Wohl in deralten  Hoffnung, gerade er würde die Ausnahme sein, hatte auch Barrientos weder die Laterne umlegen noch die Tür zumauern lassen, und wieder würde das eine trügerische Hoffnung gewesen sein. Wie seine Vorgänger würde er Putschisten oder Revolutionären über die Brüstung ausweichen, und er würde am anderen Ende des Seils hängen, wenn es ihn nicht schon eher und anders erwischte.

“Hast du nichts aus dem Jesus-Fall gelernt? Hätte ich ihn für unschuldig erklären dürfen oder hätten deine Claqueure seine Freilassung verlangt... Gut, Rom wäre wohl trotzdem untergegangen, aber vielleicht hätte nur eine weitere kleine Religion mit Gottkönig und Heiligem Reich die Massen ergriffen, für ein paar Jahrzehnte. Hätte Jesus überlebt, hätte es keine Jesu-Legende gegeben und nicht ihren Che-Che-Chesus Christ! Nein... Es wird in Bolivien kein neues Inka-Reich geben, Atahuallpa Inka, und deinen Besten Staat schon gar nicht, Hochweiser Platon! Seelen fliegen, jawohl, und wenn die ihn in Higueras abschlachten, wird sich auch deine Seele bald, sehr bald einen neuen Körper suchen müssen!”

Barrientos kicherte. “Du klingst wie der hosenvolle General Ovando! Er hat mir allen Ernstes vorgeschlagen, mit  Castro zu verhandeln: zwanzig Millionen Dollar für den Che, einen humpelnden. Meinst du das?”

“Nein, denn Castro würde nie bezahlen! Soll er gerade dafür gerade Breshnew anpumpen? Und was soll er mit einem freigekauften Krüppel? Ich meine, daß du den besiegten, aber lebendigen Guerillero in ein Flugzeug setzen wirst: erster Klasse und via Mexiko nach Hause! Dann wird es Fotos von ihm als Weißhaarigen geben, immer mehr Witze über einen regierenden Opa, und irgendwann wird er in einer feinen Villa an Altersschwäche eingehen. Sogar Kuba wird dann aufatmen...”

Für ein paar Sekunden schien Sakharow, als zögere der Präsident, doch dann stürmte General Ovando in den Raum. Barrientos griff nach dem Schnellfeuergewehr, das an der Sessellehne hing, aber der Rivale salutierte nur, eilig und vielleicht schon zum letzten Mal.

“Ich war bei einer Hexe, einer Wahrsagerin”, flüsterte General Ovando. “Señor Presidente, auf keinen Fall dürfen Sie...”

Barrientos grinste, nun erst recht unnachgiebig, und Fritz “Sugar” Sakharow gab beide auf. Er zuckte die Schultern, ging und lief schneller werdend in den Hof des Palastes und zum Hubschrauber.

Das Letzte; Pharao;
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