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“Ich habe dich sonnabend in der Kirche gesehen”, begrüßte Genossin Doktor Boehm ihren Genossen Till Uhlmann, der seine Doktorarbeit bereits abgeschlossen, aber noch nicht verteidigt hatte. Sie war nicht eigentlich altbacken und konnte ihn einigermaßen leiden, aber sie stand eben auch vor ihrer B-Promotion. “Selbstverständlich war ich nur für die Partei dort.” “Ich war wegen meiner Frau dort und habe dich nicht gesehen”, sagte Till unbeeindruckt und setzte sich auf seinen Platz in der Lehrgruppen-Versammlung. “Und im übrigen ist es den Bäumen und Kröten bestimmt egal, ob sie vom Heiligen Geist oder vom Umweltminister gerettet würden.” “Bäume und Kröten haben eben kein Bewußtsein”, stellte Doktor Manfred Oelßner fest und klopfte Till auf die Schulter. “Und der Umweltminister hat ganz andere Sorgen”, ergänzte Doktor Uwe Becker. “Ihr redet ja, als wäret ihr auch zum Umwelttag gewesen.” “Auch?” Genossin Doktor Boehm riß die Augen auf, schnappte nach Luft und glaubte schon einmal an das Ende der realsozialistischen Welt. “Dich habe ich dabei gar nicht gesehen...” “Außerhalb der Tagesordnung”, knurrte der Lehrgruppenleiter, während er die zu besprechenden Studienrichtlinien, die zu analysierenden Prüfungsergebnisse und die zuzuschlagenden Tagungs-Einladungen verteilte. “Ich unterstelle euch, Manfred, Till und Uwe, ja wirklich nichts als den Versuch, die führende Rolle unserer Partei auch in der Erlöser-Kirche durchzusetzen, aber ich warne euch vor der Wiederholung!” Till machte sich aus diesen Gesprächen nichts, und er überhörte auch die besorgten Ratschläge, als nur befristeter Assistent müsse er seine Ehe mit einer geistesverwirrten Frömmlerin und dissidenten Kirchenfegerin einmal überdenken. Er dachte ohnehin an nichts anderes mehr. Margit leerte das nur von ihm gefüllte Konto für barmherzige Zwecke, schlief im gemeinsamen Bett nur noch für sich allein und drängte Till genauso zur Scheidung wie seine Kollegen. “Nicht bloß die Karierre, so ziemlich alles spricht dafür”, gab Till ihr letztlich zu. “Ich komme mir auch echt dumm vor, mit dem einzigen Grund dagegen, daß ich dich nun mal liebe.” “Darf ich”, fragte Margit, bevor sie die nächste Zigarette an der vorigen anzündete. “Aber wenn du mich vor und bei der Hochzeit geliebt hast, mußt du mich doch jetzt zum Kotzen finden! Eine christliche Kettenraucherin, die eher mit todkranken Fröschen als mit ihrem Philo-Prinzen ins Bett geht! Eine versoffene Kunst-Be- scheidwisserin, die ihre Putzwut im Haus des Herrn abreagiert, für ‘n Margarine-Brot.” Margit hatte nicht Unrecht, aber die Indianernase, die Goldmähne und die enormen Ohren waren ihr geblieben. Noch immer lasen sie dieselben Bücher, noch immer derselben Meinung, und Till war noch immer so sehr Till wie Margit Margit geblieben war. “Ich kann mir ja auch einen Job suchen, wo unsere Beziehung karierrebekömmlicher ist”, witzelte Till, “beim Getränkekombinat oder beim Staatssekretariat für Kirchenfragen.” Till kam allerdings nicht mehr dazu. Nach einem anderen sehr erfolgreichen Kirchentag war er mit Margit wieder einmal im Bett ausgekommen, und die Erinnerung daran machte Margit sehr physisch speien. Sie redeten lange über das eheliche, klinische, theologische und finanzielle Für und Wider einer Abtreibung, und darüber verging die vorgeschriebene Frist. Von da an überfiel Till das Wohnungsamt an jedem Sprechtag neu, forschte an den anderen Feierabenden nach billigen Kinderwagen und nahm seinen Kolleginnen und Kollegen gebrauchte Kinderwäsche für Drillinge ab. Margit dagegen schwoll von ihrem Kind und von ihrer Wut auf Till. Sie wurde vom Ozonloch zerrissen und von der politischen Eiszeit in Hitze gebracht, und eine Abwesenheit ihres promovierten Ignoranten nutzte sie, um mit einer Stricknadel von unten her in ihrem Bauch zu stochern. Dazu war ihr einige Zeit geblieben, denn der Hinterhof schrieb ihr Gejaule zuerst einer Fete und dann einem Ehekrach mit Versöhnungs-Vergewaltigung zu. Wie bei Margits Gasanschlag war es die Hausverwalterin, die zuerst Verdacht schöpfte, aber sie war nun fünf Jahre älter und mußte noch länger nach einem funktionierenden Münztelefon laufen. Wieder fand Till die Wohnungstür aufgebrochen und einen Erklärungszettel auf dem einzigen Tisch, und diesmal wollte er das als den Scheidungsgrund nehmen. Er betrank sich am Rest von Margits Betäubungs-Likör, verschlief am Morgen Versammlung und Seminar und fuhr erst am frühen Nachmittag in die Charité. “Nicht mal ein kleines Kind kann eine wie ich abmurksen”, sagte Margit eilig, als Till wie Dracula in ihr Einzelzimmer trat. “So wie es da drin aussehen soll, kriege ich kaum ein zweites, aber dem ist durch irgenein Wunder nichts passiert.” “Gut”, sagte Till und holte Luft für die Verstoßung. “Klar, verstehe ich”, kam ihm Margit zuvor. “Nur das gib zu, daß es gar nicht erst soweit gekommen wäre, wenn du vernünftiger gewesen wärest! Na, ich wollte doch schon im vorletzten Studienjahr nachsehen, ob es Gott nun gibt oder nicht...” Till wechselte vom Stuhl auf die Bettkante und streichelte, um Bauch und Kind zu schonen, Margits Oberarm, nahe der rechten Mutterbrust. “Aber lustiger war doch, als wir selber Gott gespielt haben, nicht?” “Oh ja, die kleine Rosa hier wird mal einen Bonzen weniger stürzen müssen”, bestätigte Margit. Margit war damals noch eine atheistische Dogmatikerin gewesen, und sie hatte Tills Zögern gescholten, auf sein Erbe zu verzichten, um Vetter Hartmut zu stoppen. “Wenn er lange genug Erster bei der FDJ-Kreisleitung war, wird er Zweiter bei der Kreis-Pratei und dritter im Bezirk”, malte auch Adolf Ackermann die Zukunft düster aus. “Mir scheint das ‘ne Kateridee, aber die Genossen nennen das nun mal Kaderpolitik.” Margit knurrte unzufrieden. “Na, gut, die nun mal entscheidenden Genossen... Und, Till, er hat mal versucht, dich zu ersticken! Bist du sicher, daß er das nie wieder versuchen wird? Und...” Adolf Ackermann legte den Zeigefinger an die Lippen. “Und sie haben ihn doch in die Kreisleitung delegiert, weil er keine gerade Mauer hochziehen kann! Du dagegen...” “Richtige Philosophen dagegen waren meist arm”, stimmte Margit ihrem antagonistischen Schwieger-Großvater begeistert zu. “Du dagegen kannst es mit Grips zu was bringen! Und du hast noch mich, nicht?” “Aber nur du wirst entscheiden”, bremste der Großvater. Till sah sich lange in der Bibliothek um. Sie hatten ihn tatsächlich soweit, daß er nur als geldgieriger Egoist Nein sagen konnte. Margit würde ihn so interpretieren, daß sie ihm nicht genug und nicht mehr wert war als ein altes Haus und ein dickes Konto, und der Großvater würde ihn nicht länger für einen guten Kapitalisten halten. Ein guter Kapitalist brauchte sein Geld schließlich, um damit Politik zu machen. Andererseits hatte Till selbst nie vorgehabt, aus dem Leipziger Studentenwohnheim in die Kleinstadt-Villa zurückzukehren. “Die größte Strafe aber ist, von Schlechteren regiert zu werden”, sagte Till und zeigte auf die Platon-Reihe im Philosophenregal, “wenn einer nicht selbst regieren will... Die hätte ich gern, von Aristoteles bis Voltaire, und die Lexika! Und vor allem nicht so bald, Opa... Und wenn du, liebes Weib, darüber klagst, daß ich den letzten Stipendiumsgroschen versoffen habe, lasse ich mich scheiden! Oder ich versetze dich...” Margit hielt Tills Hand fest, und dafür war schon nicht mehr Kraft nötig, als ihr nach dem mißglückten Harakiri geblieben war. “Machen wir ‘s so, daß damit die Alimente bezahlt ist.” Margit schloß die Augen und wandte den Kopf ab. “Und für die Sippe denke dir ‘ne Geschichte aus, bei der ich nicht so mies wegkomme, wie ich bin! Wie ich war...” Till nickte. Er nickte, obwohl er fast schon sicher war, daß er am nächsten Tag wieder bei ihr sitzen würde. Er stellte sich dem Arzt vor, den er im Korridor traf, hörte einen ellenlangen Befund und eine doppelt so lange Liste von Vorwürfen an, und als er auf der Straße stand, suchte er schon wieder nach irgendeiner eigenen Schuld. Mitten in dieser Arbeit rannte er gegen Klaus Lammert, seinen dicken Freund aus der Studienzeit. “Machst denn du hier?” “Bote vom Ministerium”, sagte Klaus Lammert und zeigte mit der Aktentasche auf den Eingang der Akademie der Künste. “Ich bringe ihren Termin für die Beileids-Bezeugung. Na, kein Mensch käme doch freiwillig auf die Idee...” Als Till nur mechanisch nickte, schlug sich Klaus Lammert gegen die Stirn. “Ach so! Mensch, TASS hat in tiefer Trauer mitgeteilt, daß ER nach langer und schwerer Krankheit und ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben...” “...zu seinen Amtsgeschäften zurückgekehrt ist”, vollendete Till. “Mensch, das erzählen sie schon an unserer Sektion als Witz, und wenn es soweit ist, werden sie einen noch älteren wählen. Molotow soll wieder aufgetaucht sein.” “Wegen der Stelle bist du hier?” Klaus Lammert zeigte auf einen Zettel, der an die Scheibe des Erdgeschoß-Fensters geklebt war. “Wetten, daß die dich nehmen?” Klaus Lammert ließ Till vor dem Sekretariat des Generaldirektors warten und öffnete ihm dann mit dem Ministeriums-Ausweis die Zimmertür des Kaderleiters. “Ich tue das privat, aber ich wollte euch den Gefallen halt tun! Das ist Genosse Doktor Uhlmann, ein Spezialist für Hegel, der nach dem berühmten Brecht-Satz der größte Humorist unter uns Philosophen war.” “Ich dachte, daß der berühmte Brecht-Satz der von Kartahgos drei Kriegen ist”, sagte Till. Er holte Luft für die nötigsten Richtigstellungen, und zum zweiten Mal in nur zwei Stunden kam er nicht zu Wort. “Nicht schlecht”, kam ihm der Kaderleiter zuvor und stenografierte den Namen des Bewerbers auf ein großes Blatt. “Nur müßten Sie die Kabarettexte nicht schreiben, sondern archivieren. Geboren sind Sie?” Der nette ältere Herr hörte sich Tills Lebensgeschichte wie eine Geschichte von Karl May an. “Es ginge also um tausendzweihundert.” “Kabarettexte?” Der Kaderleiter lachte. “Eine nicht nur saubere, sondern porentief reine Akte vorausgesetzt, werden Sie von uns hören.” “Heute ist dein Glückstag, privat”, polterte Klaus Lammert und zog Till am Jackenärmel aus dem Büro, bevor er noch irgendetwas verderben konnte. “Und tue nicht so, als wärest du der einzige aus unserer Seminargruppe, der den Beruf nicht wechseln wollte!” Till verkniff sich die Frage, was er nach den tausendzweihundert Texten arbeiten sollte, und er stieg in Klaus Lammerts ebenso viele Jahre alten Trabant. Gerade des ungefähren Wegs nach Hause erinnerte er sich noch. Als Till erwachte, glaubte er vollends, zu träumen. Auf dem Tisch stand ein Teller mit einem kalt gewordenen Pfeffersteak, und daneben lag der Zettel mit der Adresse des lange verschollenen Freundes. Till sollte zweihundertfünfzig Brutto-Mark mehr verdienen, und als Till den Fernseher anschaltete, um sich an den trauernden Greisen zu freuen, war Kabarett. Auf allen Sendern behaupteten als Nachrichtensprecher verkleidete Witzbolde, ausgerechnet die Sowjetunion hätte sich einen vierundfünfzigjährigen Parteichef zugelegt. Till aß den ersten Bissen seit über vierundzwanzig Stunden, ohne daß er die Hungerphantasien aus dem Kopf bekam, und das blutbraune Laken war auch nicht das Sterbetuch von Frau und Kind. Ihre hundert Jahre Einsamkeit waren zu Ende, befand auch Margit, und sie konnten noch einmal von vorn beginnen. Erst am Tag nach Michaels erstem Geburtstag fand Till heraus, daß ihn nur noch die Ketten der Gewohnheit und die Händchen des Sohnes in der neuen Wohnung hielten. Er fand es beim wöchentlichen Bier mit Klaus Lammert heraus. “Das ist eben der Unterschied zwischen der Liebe und einer Säuferleber”, philosophierte Klaus Lammmert und kippte das Korn-Kompott. “Die Säuferleber, die behältst du für den Rest des Lebens. Und mit deiner Entdeckung trägst du bei mir Eulen in den Tierpark, Schnapsliechen zum Jugendklub.” Till glotzte wie der Sohn einer Eule und einer Schnapsleiche. “Aber Ines war doch... Und sie hat sich nicht verändert, finde ich.” “Äußerlich, nur äußerlich nicht. Aber äußerlich ist auch Margit bald wieder neunundzwanzig...” Klaus Lammert lehnte sich auf dem Kneipenstuhl zurück, zündete sich eine Zigarette an und legte die rechte Hand auf seinen alles beweisenden Bauch. “Nimm zum Beispiel ein Pilzgericht, ungiftig, sogar schmackhaft! Nimm es frisch und dann aufgewärmt! Die zersetzten Eiweiße haben es dann in einen Fliegenpilz-Auflauf verwandelt, ernährungsphysiologisch betrachtet.” Was für Thyl seine kapitalistische Erblast gewesen war, war bei Klaus Lammert der Appetit und die Freude am Kochen gewesen. “Die Grundfrage der Philosophie beantworte ich als Feinschmecker und Vielfraß natürlich materialistisch”, stellte sich Klaus Lammert beim verspäteten Einstand der Soldaten auf Zeit vor. “Allerdings erklärt mir das nicht, warum das Mensagemüse immer strohig, zerkocht und versalzen ist. Und deshalb ist mir diese Grundfrage grundsätzlich eher gleichgültig.” “Bei aller eingeräumten Freimütigkeit: das gehört nun wirklich nicht hierher!” Der Seminarleiter, zufällig ein magerer und melancholischer Typ, war zum ersten Mal ratlos. “Und vielleicht hätten Sie, Genosse Lammert, wenn Sie sich so dafür interessieren, lieber Gastronomie studieren sollen!” Klaus Lammert grinste gemütlich. “Den großen Staat regiert man, wie man kleine Fische brät, hat aber kein Politbüro-Koch, sondern ein Philosoph geschrieben.” “Also das klären wir zur FDJ-Wahl”, parierte Ines, die beim Gräbenschaufeln im Studentensommer entdeckt hatte, daß sie etwa fünf Pfund schwerer als ihre potentiellen Konkurentinnen war. “Wir sind Materialisten, weil jeder Idealismus der Befreiungsmission der Arbeiterklasse widerspricht!” “Versalzene Zuckererbsen für jedermann widersprechen dieser Mission bestimmt nicht weniger”, beharrte Klaus Lammert und neigte den Kopf zu Till. Sie saßen damals noch zufällig nebeneinander. “Da nennen sie sich Materialisten, dialektische, historische, sogar! In Wirklichkeit sind sie aber nur magenkranke Bibelforscher!” “Du könntest mein Großvater sein”, sagte Till. “Und deine philosophischen Anschauungen teile ich, auch wenn ich für Gemüse prinzipiell nichts übrig habe.” Von da an datierte ihre Freundschaft, die es sogar erlaubte, daß Till Klaus Lammert um den Datschenschlüssel bat, weil seiner Kollegin Angelika die Sinne nach regelmäßigerem Ehebruch standen, als die Betreibsfeiern der Akademie das möglich machten. “Sokrates ist dafür berühmt, daß er sich von Xanthippe mit dem Nudelholz schmeißen ließ”, sagte Klaus Lammert verständnisvoll. Daß er ihr auffällig treu gewesen wäre, geht aus keiner Quelle hervor. Und Margit ist nicht die Perestroika, da kannst du sie schon ab und zu mal ein bißchen verraten.” Till nahm dem Kellner die zwei letzten halben Liter vom Tablett. “Du hast nicht zufällig den Eindruck, daß wir zwei fürchterliche Arschlöcher sind? Ich meine, weil wir doch Wahnsinns-Wahrheiten entdecken, Amtsschimmel schlachten und die ganze Welt umdrehen wollten... Und nun reicht uns der Doktortitel und ein vorfristiger Termin. Nun fällt’s uns schwer, auch nur den Schwanz zu heben, bei der eigenen Frau!” “Dazu nur, daß diese Frauen bestimmt auch keine Heiligen sind. Ansonsten habe ich von dir und mir dieselbe Meinung wie du von mir und dir.” Klaus Lammert leerte das Gals in einem Zug. Ihre Freundschaft ging soweit, daß Klaus Lammert sofort an Till gedacht hatte, als er Sibylle getroffen hatte, den schärfsten und blauesten Zahn ihrer Seminargruppe. Sie war auf einer Einkaufsreise zum Alex gewesen, und weil sie in Rostock und in ihrer Position nicht oft unter Männer kam, hatte Sibylle nicht erst lange zu einer Wiedersehensfeier überredet werden müssen. Till hatte nur noch einen Diesntreise-Auftrag zu besorgen, um endlich nachholen zu können, was er als Student und wohl als Einziger der Seminargruppe verpaßt hatte. “Aber Rostock hat doch gar kein professionelles Kabarett”, bemerkte Boris The Spider, Tills Chef, kurz vor der Unterzeichnung des Formulars. “Und es geht mich zwar nichts an, was du da vorhast, aber morgen ist Donnerstag, und donnerstags hast du Archivdienst.” Donnerstags kaufte Boris The Spider den Wochenendbedarf seines Waldgrundstücks ein. “Und zum Baden ist doch noch gar nicht die Jahreszeit!” “Donnerstag muß ich hin, weil Freitag früh ein guter Bekannter einen Termin hat, bei dem ich den Chef der Bezirksparteischule für unser Witzarchiv melken kann.” Sibylle war Dozentin an dieser Schule und konnte notfalls eine Anwesenheitsbescheinigung fälschen. “Deine Witzchen-Sammlung!” Boris The Spider stöhnte. “Der Generaldirektor hat sie noch nicht als offizielles Forschungsprojekt bestätigt, Mensch! Und wenn da mal jemand von der Stasi oder gar von der Parteikontrollkommission drauf stößt!” “Aber von unserer Kreisparteikontroll-Jungfer war doch der mit den drei Verbannten in Jakutien.” Till ging zu seinem Karteischrank und suchte die entsprechende Registratur-Karte. “Einer war gegen, einer war für und der dritte war Chruschtschow. Bitte: mitgeteilt am 10.8., da ist unser Parteisekretär fünfundfünfzig geworden.” “Daß das mal von kulturgeschichtlicher Bedeutung sein soll, glaube ich trotzdem nicht.” Tills Chef stöhnte noch lauter und unterschrieb den rotweißen Schein. “Archiv des politischen Witzes! Weiß der Teufel, warum ich ausgerechnet dich unsere Forschungskonzeptionen schreiben lasse...” “Weil du mein Chef bist”, sagte Till ehrlich, “und eben schreiben lassen kannst.” Margit hatte den Chef nach einem The-Who-Song Boris The Spider genannt. Sie meinte er fessele Till in ein Netz aus Vorschriften und sauge ihm die Ideen aus, und Till bedauerte, daß er ihr den Vorteil dieser Arbeitsteilung auch nicht am jüngsten Beispiel erläutern konnte.
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