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Die Straßen hatten sich in den letzten zwanzig Jahren kaum und seit dem Vortag gar nicht verändert, aber Nele dachte ohne Groll daran, daß hinter den giftigen Hecken Glotzer und Tuschler in Grillwürstchen und Kakaocreme Röllchen die Dritte Welt auffraßen. Ihnen schmeckte das halt, und Nele wußte, daß das bald ein Ende haben würde. Sie kam aus keiner engen und niedrigen Dachkammer mehr, sondern aus einem gigantischen Liebesnest, und sie ging in der Wanne der früheren Hausbesitzerin und in den Küssen ihres Geliebten frisch und jung gebadet. “MPLA é o povo”, brummte Nele ihr Gute-Laune-Lied, “o povo é MPLA!” Dabei war Nele noch im Rausch des Wahrheitsserums aufgewacht, und sie hatte mit falscher Seligkeit an Thyl gedacht: oh, du Nagelbrett und Dampfwalze, du meine Daumenschraube für die Titten und Bergwerksexplosion in meinem Unterbauch! Tatsächlich war das zerwühlte Besucherbett leer gewesen, und in ihrer ganzen unaufgeräumten Wohnung war nicht die geringste Spur des feigen Albinobocks und schlappen Bleichschwanzes zurückgeblieben. Und noch noch einmal hatte Nele bereuen müssen, denn als sie vom Baden gekommen war, hatten Kaufhallenbrötchen auf frisch abgewaschenen Tellern gelegen, hatte Lord Baskerville eine Scheibe Blutwurst gekatscht und hatte Thyl Neles Jubeln nicht recht verstanden. Und dann, hatte Nele versprochen, den Mund voll Streuselkuchen, dann steigt die schärfste, die affengeilste und säuischste Nummer! Dann ziehn wir uns an, ja, nehmen wir uns an den Händen und gehen wie ein Liebespaar spazieren! Thyl lief neben Nele her, im fremden Motorradleder schwitzend und weit weniger entschlossen, aber von Zeit zu Zeit schüttelte er den Kopf. Die kleine Mulattin war so verrückt, daß sie schon wieder zu seiner durcheinandergeratenen Biographie paßte, und an den Margit-Brüsten unter der dünnen bunten Bluse prangten die süchtig machenden Brustrosen, immerprall und fast blaubraun und sicher schon wieder schweißglänzend. Brustwarzen war einfach keine Bezeichnung für solche Wunder, und auch die Vorstellung, daß die vielleicht vorhandene, dann aber umfängliche Akte UHLMANN, TILL nun in der Stasi-Ablage verstauben würde, war wunderbar. Ein Leutnant Uhlmann würde zu keiner Reserve-Übung mehr eingezogen, und wenn ein Dutzend alleinstehende Mütter oder dieser selbstmörderische Weltfrieden Ansprüche an Frank Seidel anmeldeten, konnte Thyl immer noch das Ende seines Gedächtnisschwundes simulieren. “Vielleicht sollte ich meiner Frau die Nähmaschine doch gönnen”, sagte Thyl, als er mit Nele die Tunneltreppe zum S-Bahn-Bahnsteig hinunterstieg. “Ich meine: ich bin wirklich aus keinem Buch, und ich habe auch schlecht geträumt, letzte Nacht, aber ich bin geil auf deine Schokomöse und überhaupt neugierig auf dich. Reicht das für den Anfang?” “Denkst du, ich wollte schon wieder ‘n Heiratsantrag?” Auch geheiratet hatte man Nele ja schon einmal, obwohl sie damals in ihre Schuldirektorin verliebt und mit der Rock-Szene des Landes ganz und gar fertig gewesen war. Alle Musiker hatten wie der siebte Durchschlag von Mick Jagger ausgesehen, hatten privat wie Bob Dylan gesungen und hatten die Mädchen so oft, aber auch so unlustig wie die Unterhosen gewechselt. Nur, weil sonst nichts los war im Hauptdorf der Provinz, war Nele weiter in diese Konzerte gegangen, und es war nicht gruseliger, mit dem gerade spitzesten Typen mit-, als allein von der S-Bahn nach Hause zu gehen. Und dann sprang Stefan aus der dritten Zugabe der April-Rock-Nacht von der Bühne, direkt vor Nele, und drei Fan-Reihen vor der Bühne bewegte er sich sogar recht normal. ”She´s the boss, wie es bei den Stones heißt”, lockte er Nele zu seinem roten Wartburg. “Wohin geht es also?” Nele verdrehte die Augen. “Lust hätte ich auf den KuDamm, aber...” Sie kam wieder einmal nicht mit einem dieser Rollgurte zurecht, und sie rechnete Stefan schon einmal an, daß er das nicht zum Anlaß nahm, sie zu betatschen. Die sachlichen Griffe, mit denen er sie neben sich schnallte, waren auf eine Art macho, die Nele mochte. “Also dann mit hundertzwanzig Sachen heim, und dort mit zweihundertvierzig ins Bett.” “Daß du ‘ne heiße Braut bist”, schmatzte Stefan und kitzelte den Motor auf hundert, “das stimmt also schon mal.” “Lehrerin bin ich”, duschte Nele ihn eiskalt ab und kurbelte auch noch das Fenster herunter. “Hast du ‘ne Ahnung, wann deine unehelichen Kinder und ihre Dompteure hoch müssen, damit sie die erste Sonnabend-Stunde nicht verpassen?” “Früh?” In der kurzen Gegenfrage klang Mißtrauen, Enttäuschung und Wut, und sogar im Tempo ließ Stefan nach. “Ja, aber die anderen”, versuchte er unglücklich einen anderen Beginn. “Oder ist das nur eine Abwimmel- Tour?” “s Lähm ist das, das Leben”, sagte Nele, fand im Handschuhfach eine Schachtel ERNTE 23 und rauchte zwei Friedenszigaretten an. Stefan ließ sich über die holperigen Vorort-Straßen kommandieren, aber er schaltete den Motor nicht ab, als Nele ihm Stop befahl. Es schaffte ihn mehr als die letzte Kritik in Melodie und Rhythmus, daß er die schwarze Kirsche sovieler Bands, diesen ewig feuchten Wanderpokal ungekostet und ungebraucht aussteigen lassen sollte. Stefan gab im Leerlauf Gas. Er konnte sie leicht zu einem Autobahn-Parkplatz entführen, von dem aus sie nicht vor der sechsten Stunde in ihrer Paukanstalt sein konnte, und wenn sie dort immer noch darauf bestand, würde er sie auch ganz unbehelligt aussteigen lassen. “Und wie geht es weiter mit uns”, fragte Stefan.”Na, im Sommer mußt du doch dann mit kleineren Jungs Ferienspiele machen, nicht? Bulgarien oder so ist da bestimmt nicht drin, nein?” “Bulgarien? Und in drei Monaten”, überlegte Nele, während sie die Tür aufstieß. “Du, wenn du übermorgen mittag nicht gerade in einem von euren Groupies klemmst, darfst du an meine Buletten, okay?” Später glaubte Nele kaum jemand, daß sie sich immer in diesem Tempo verliebte, aber nach ihren und Stefans Maßstäben hatten sie sich schon ein Leben lang gekannt, als sie sich auf dem Rückflug von Sofia schräg links über Wien verlobten. Sogar so etwas wie einen Ehevertrag hatten sie da schon. Nele hatte ihren Familiennamen durchgesetzt, wofür sie in Weiß zum Standesamt gehen würde, und beide wollten erst nach der ersten Goldenen Schallplatte an Fohlen denken und ihre sowieso schwer tauschbaren Wohnungen noch länger behalten. Sie kannten ja genug Musiker und Musiker-Ehen, und natürlich hatte es Nele auch leid getan, daß ihr unverheirateter Texter und Sänger seiner Gruppe alle West-Einladungen vermasselte. Und dann stand Nele vor der Wohnungstür ihrer geliebten und erkälteten Direktorin, rieb die Stirn an der umzugszerschrammten Tapete und heulte wie seit dem zweiten mißglückten Sturm auf das Gefängnis von Luanda nicht mehr. “Stefan ist... Stefan ist in Hamburg!” “Ja, und”, fragte Heike Lauterer unverschnupft und unbekümmert. “Die paar Tage... Und er wird dir doch bestimmt was Schönes mit... Du, du meinst doch nicht etwa...” Heike drehte Nele an den Schultern um, zog ihr nasses Gesicht an den Ausschnitt im Morgenmantel und ging rückwärts in die Wohnung. “Ihr Mann scheint”, meldete Heike und pfiff leise. Es machte die Sache nicht besser, daß Heikes Erkältung der Wohngebiets-Hausmeister war, ein Kerl mit Stalin-Bart, Möbelpacker-Schultern und nichts als einem zerknüllten Arbeitshemd vor der enormen Bereitschaft. “Martin”, stellte sich der Zerstoßer des letzten Nele-Traums vor. “Dann kommst du wohl frisch aus der Keksfabrik, na, aus der Gehirnspülmaschine von Mielke?” Heike Lauterer zischte ärgerlich, aber Martin zeigte Nele, unterwegs zum Kühlschrank, auch noch seinen nackten Hintern. “Oder trinkst du nur Kakao, Black Panther”, fragte Martin und kam mit einer kältebeschlagenen Wodka-Flasche wieder. “Hej, Pantherkätzchen! Was sie dir auch erzählt haben: wir werden noch auf Mielkes Beerdigung tanzen, einen ganz großen Volkstanz!” “Martin, nicht”, kreischte Heike. “Das habe ich nicht gehört!” Als Geburtskatholik, Studentenbewegungs-Marxist und russischer Antialkoholiker, Martin zwinkerte, hatte Martin die Nele-Streiche schon immer lustiger gefunden, als Heike sie von Amts wegen werten mußte. Er zog nur rasch das Hemd über, bevor er Gorbi zuprostete und Nele lachend an Nele erinnerte. Nele hatte der ersten Klasse Karl May vorgelesen, nicht weil sie etwas gegen Karl Marx hatte, sondern weil ihre Mäuse die Indianergeschichten spannender finden und also schneller lesen lernen würden. Auch in hospitierten Stunden nannte Nele die Kinder Mäuse, die saufrechen unter ihnen saufrech und die blöd spielenden blöd, und sogar Heike Lauterer lächelte, als Martin dann die Kreisschulrätin zitierte. “Waren Sie schon einmal, Sie müssen schon entschuldigen, bei einem Psychologen?” “Nein”, zitierte Nele sich, obwohl sie immer noch nicht wußte, ob das ein Witz oder ein Mißverständnis gewesen war. “Das habe ich mir alles selber ausgedacht.” Heike stöhnte, denn immer hatte danach sie um Kompromisse telefonieren und betteln müssen, und nie waren die Sachverhalte so einfach gewesen, wie Nele sie verstanden hatte. Da saßen die Hortkinder zwischen dem Rosenbeet am Schulzaun und den Spatenknechten der Post, und die diensthabende Nele setzte sich zu ihnen. Sie bot den Männern von ihren Zigaretten an und knöpfte ihre Bluse weiter auf, und sie dachte nicht einen Augenblick lang an das Datum oder die Begründung des Schachtauftrages. Am Jahrestag des portugiesischen Nelkenverschenkens aber hatte ihr ökologischer Sitzstreik wie eine Provokation gewirkt, und eine Sabotage der Telefonversorgung zehntausender Werktätiger war er ohne Zweifel gewesen. “Und trotzdem habe den Wiedergutmachungs-Subbotnik ich ausgehandelt”, unterbrach Heike das schon etwas trunkige Gelächter, “ich!” “Dafür lieben wir dich ja auch”, brummte Martin, und Nele seufzte sehr ehrlich. “Und du, Kätzchen, wirst uns doch nicht wegen einem Kanarienvogel mit Mielke allein lassen wollen”, wandte sich Martin an Nele und goß ihr Wodka nach. “Das aber nur für den Fall, daß du noch Meinungen sammelst...” Was sie wollte, hatte für Nele allerdings schon festgestanden. Natürlich wollte sie schleunigst nach Hamburg, und nach dem Zoo, einem guten Fisch-Restaurant und einer St.-Pauli-Show wollte sie Stefan einen Mordskrach, die Latte des Jahrhunderts und alle zur Rückkehr nötige Lust machen. Sie wollte dafür nicht einmal den feuchten Händedruck der Generalsekretärin für Unterhaltungskunst, sondern sich selbst wollte sie beweisen, daß kein Mann Nele wie eine zugemauerte Stadt, ein Provinzfürstentum oder einen zänkischen Polit-Großvater verließ. Nele war so sicher, Stefan bis zum nächsten Konzert der Gruppe wiederzuhaben, daß sie weder mit vollen Terminkalendern abzuschrecken noch von mitfühlenden Sekretärinnen zu warnen war. Sie schaffte es bis zu einem Stellvertretenden Abteilungsleiter, der ihr Anliegen bereits kannte und mit Neles geheimer Sündenakte versehen war. Als Nele auch nach einer halben Stunde noch nicht eingesehen hatte, daß Stefans Abgang weder ein menschlicher noch gar ein kultureller Verlust war, zerrte der gemütliche Fettsack eines der Weihnachtsfotos zwischen den gelben Pappdeckeln hervor. Nele war damals blau gewesen und sah auf dem ORWO-Papier lila aus, aber sie saß von Stefan aufgespießt und vom nackten Weihnachtsmann in den Mund gefickt, und selbst der wohlmeinendste Bürokrat hätte diesen Schnappschuß unmöglich in eine Vergewaltigung umdeuten können. “Wenn das bei der Chefin landet”, sagte der Fettsack und sah träumerisch auf das Bild, “Genossin Carvalho, dann kommen Sie erst zur Einschulung Ihrer Urenkel wieder in eine Schule! Also lassen Sie den Wirbel, erstens! Und zweitens werden wir uns jetzt darüber unterhalten, warum Ihre Direktorin Sie immerzu deckt!” “Weil sie mich eben decken darf”, sagte Nele schnell und biß sich gleich darauf heftig und ausdauernd auf die Zunge. “Also vielleicht bin ich eine schlechte Lehrerin”, begann sie dann sehr ruhig, “und eine heimliche Hure, aber ein Spitzel bin ich bestimmt nicht. Sie... Sie sind doch echt der Typ des Schreibtischmörders, Sie Bürowallach, Sie! Sie sollten noch Hamburg! Was meinen Sie, wie schnell wir dann unsere Stefans wiederhaben! Verschwinden Sie endlich!” Es war die Revolution gewesen. Wohin sie gewollt hatte und wovon sie künftig leben sollte, hatte Nele vergessen. Sie mußte in das ernst und ängstlich werdende fette Gesicht schreien, was sie mit ihresgleichen nur flüsterte, und Sozialismus bedeutete doch wohl, daß die Untersten und ihre Unterstufenlehrerinnen den Oberbürokraten Rechnungen aufmachten, nicht umgekehrt. Das Heulen und Zähneklappern würde später kommen, und natürlich würde sich herausstellen, daß Nele so nicht bekam, was sie nur von dem Fettsack bekommen konnte. Diesen Atemzug und diese Schimpfrede lang aber war Revolution gewesen. “Und hätte ich Heike dabei gehabt, Martin und Stefan”, träumte Nele und lehnte den Kopf an Thyls Lederschulter, “oder eben dich... Du, ich wette mit dir um die Mauer, daß der Typ dann tatsächlich verschwunden wäre.” “Und was hast du dann gemacht”, fragte Thyl. “Na, Verkäuferin doch.” Nele hätte sich auch vor dem Ausreise-Antrag eine andere Arbeit suchen müssen, und dann hatte sie so lange zwischen den günstigen Zweite-Wahl-Käufen und dem langen Warten auf eine Familienzusammenführung geschwankt, bis die Gespenster wieder auferstanden waren. Eines abends hatte sich Nele nach der Spätschicht nur vor dem räudigen Gerüchtetiger retten können, indem sie ihm das Neue Deutschland vom Tage in den Rachen geworfen hatte. Selbst dieses dumme Vieh hielt das Stroh nur einen Augenblick lang für Futter, aber als es die Gespensterbereitschaft zum großen Fressen herbeibrüllte, hockte Nele bereits in der Mauerecke hinter dem Küchentisch. “D G Fis A G”, bellte die Kreisschulrätin und klopfte mit der Reitpeitsche gegen die Schäfte ihrer roten Lacklederstiefel. “Ja, das grölt sich leicht, Wacht auf, Verdammte dieser Erde!, aber richtig ist es nur so!” Die Stiefel hatten hohe Absätze, was die Schritte für Nele schon aufregend machte, und das Klatschen der Peitsche dirigierte Heike, die am Boden kroch und ihr Würge-Leder blank zu lecken hatte. Heike war bis auf ein schweres Hunde-Halsband nackt, und aus dem eng geschnürten Korsett ihrer Herrin quollen reife Brüste. Die gewollten Haarsträhnen der Kreisschulrätin waren ölschwarze Striche durch hunderte Lebenspläne, aber ihre hellblauen, in der schwarzen Ummalung farblos scheinenden Augen saugten bereits an Nele und zwischen den schwarz geschminkten Lippen blitzten goldkantige Zähne. “D G Fis A G! Fis, Fis, Fis, nicht F”, bellte die Kreisschulrätin. “Komm Bei Fuß oder geh zum Teufel!” Heike hielt das Halsband für Nele vor ihren Schoß, und Nele hatte sich noch nicht ganz entschieden, als die Kreisschulrätin den rechten Stiefel zum Fußkuß vor stieß. Zwischen ihren Versucherinnen und Nele aber war der Spalt in der Tischplatte, wo das Ausziehteil hochzuklappen ging, und genau an diesem Spalt endete das Gespensterreich. Die Domina aller Dämonen kippte sehr komisch nach hinten weg, und sie löste eine Flutwelle von Blut und Speichel, Schweiß und Sperma aus. Als auch die Flutwelle von der unsichtbaren Wand zurückgeworfen worden war, lag der halbe Tisch voller zuckender Augen, und aus der Tiefe des Gasherdes zog ein Gespann thailändischer Huren den goldenen Käfig, in dem es Stefan fast gut ging. An der Hüfte trug er einen nordamerikanischen Adler, dessen Schwingen mit BOLS und BACARDI beschriftet waren, und während ein lichterndes Hammerwerk seinen Mick-Jagger-Kopf zu einer Goldenen Schallplatte breitklopfte, blies ihm ein knieendes Skelett auf seiner schwer vergleichlichen Bio-Flöte No business like show business. “Wenn du kapierst, daß du die Welt nicht ändern wirst”, sang Stefan, “dann änder’ die Adresse, änd’re dich!” Für einen Augenblick ließ der Adler von Stefan ab, und Stefans Leber wuchs nach, die Bauchwunde und die Bühnenhose schlossen sich. Stefan nickte schräg und auffordernd, und Nele war schon fast aus ihrer Ecke, als das Skelett den Schädel drehte und Nele ein verheultes afrikanisches Gesicht zeigte, ein wenig schwärzer und viel jünger als ihr eigenes. “Nele”, rief Stefan, “los! Was wir brauchen, werden wir uns immer kaufen können!” “Aber ich”, rief Nele, “ich bin nicht zu kaufen! Von keinem!” Es war die Zeit, in der sich Nele für Mode-, Akt- und privateste Aufnahmen vermietete, aber die Gespenster hatten eben nicht die Verbindungen der Volksbildungs-Bürokraten. Schreiend griff der Adler Stefan an, das Skelett griff seufzend zu, und von der schrägen Küchendecke fielen nikotinbraune Vampire, um an der Grenze ihres Reviers wie Tomaten zu platzen und abzurutschen. In der kleinen Toilette winselten verschreckte Werwölfe, der Luftzug durch die Ritzen des Garten-Fensters roch nach kochendem Teer und im Abwasch tanzte das schmutzige Geschirr Flamenco. Die Wirklichkeit kehrte zurück wie eine S-Bahn, die langsam über die Baustelle des gemeinsamen S- und U-Bahnhofs zuckelte. “Gott, was wollen wir denn schon wieder in unserem Dorf”, fragte Nele und stieß Thyl übermütig mit dem Ellenbogen. “Also ich würde zuhören wollen”, sagte Thyl und rempelte vorsichtiger. “Ich höre dir gern bis zur nächsten Endstation und wieder bis hierher zu. Na, wenn ich dich richtig verstanden habe, ist es doch in deiner Küche auch nicht ungefährlicher als in deinem Bett!” Um nicht selbst mißverstanden zu werden, faßte Thyl in die dichten weichen Locken, küßte er die Goldfischaugen und kaute er die vorragende Unterlippe. Thyls Hand wechselte zwischen den harten Jeans und der schmelzenden Bluse, streichelte die Bluse aus dem Hosenbund und schob sich am Rücken weit hinter den Bund. Obwohl es Zeit zum Aufstehen und Aussteigen war, schloß Nele die Augen. Als die Bahn dann wieder anruckte, nahm Nele den Arm vor den Bauch, öffnete den verdeckten Hosenknopf und saß schließlich fast auf Thyls Hand, nur fast ruhig. Nele wäre die Strecke bis ans Ende der Welt gefahren, wäre die Welt nur ein bißchen gerechter gewesen und hätte zu Hause nicht Lord Baskerville auf seine Lebensmittel gewartet. “MPLA é o povo”, sagte Nele also. “o povo ist gleich da!”
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